Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Erneut erhob Lord Faustus Vorwürfe gegenüber Lady Maidheike. Diesmal beschwerte er sich darüber, daß die Lady ihn von Ländereien des Guotherreiches abschneide, die er besetzen wollte. Außerdem störte ihn noch ein Schiff des Lord Sedor, welches mit einer Truppe an Bord vor einer seiner Städte lag. Dieses Schiff versenkte er kurzerhand. In die selbe Kerbe schlug denn auch noch Lord Helger, den seinerseits ein Schiff des Lord Loinvoyant störte, welches vor Helgerschem Landbesitz kreuzte. Da dieses Schiff ebenfalls mit einer bewaffneten Truppe ausgestattet war, befahl Lord Helger gleichfalls die Versenkung. Er ging jedoch noch weitaus dreister vor als Lord faustus, indem er Lord Loinvoyant erst zusicherte, das Schiff unbehelligt zu lassen, wenn dieser ihm zusichern könnte, daß von der Truppe an Bord keine Gefahr für das Land Helgers ausgänge. Ohne jedoch Lord Loinvoyant Gelegenheit zu geben, das Schiff abzuordern oder sich auch nur zu der Sache zu äußern, war die Versenkung schon längst angeordnet. Die angebliche Bedrohung, welche die an Bord befindliche Truppe darstellte, ist umso lächerlicher, als Lord Loinvoyant ein sehr kleines Reich führt, welches in keinster Weise bisher kriegerisch auftrat und die bewaffneten Männer lediglich Schutz vor Piratenüberfällen bieten sollten.
Diese Vorfälle zeigen aber nur allzudeutlich, wie dreist inzwischen die Herren des Norderbundes und ihre Freunde geworden sind und wie sie sich nur allzugern als Herren über scheinbar unterlegene Reiche aufspielen. Sie sollten nur bedenken, daß man umso tiefer fällt, je höher man sich vorher aufschwingt.
Lord Agomar hat sich nach langen Verhandlungen endlich mit seinen Gegnern geeinigt und so wurden die Kämpfe fast überall eingestellt.
Lord Potter verkündete indessen, daß es seinen Truppen gelungen sei, die Hauptstadt des Reiches von Lord Lipsius einzunehmen. Das Reich Lipsiana wird schon seit Längerem von einem Priester namens Daschbog geführt, da Lord Lipsius in dem schon lange anhaltenden Krieg mit dem Potterschen Reich schwer verletzt wurde. Es gibt sogar Gerüchte, wonach er inzwischen verstorben sei.
Noch immer gibt es hier und dort vage Andeutungen von einer Bedrohung, die sich der bekannten Welt aus dem Osten Tamars nähert. Erst die Geschichten über die geheime Bibliothek aus den Zeiten König Abanors, dann der geheimnisvolle Bericht des Aristolis über den Todesdämon Ankou, dessen erneutes Auftauchen in den Schriften dieser Bibliothek vorhergesagt wird und schließlich die Behauptungen einiger Personen, am östlichen Horizont würden dunkle Rauchwolken heraufziehen. Auch wenn ich nach wie vor erhebliche Zweifel an all diesen angeblichen bösen Zeichen hege, so scheint es doch genügend Herrscher auf Tamar zu geben, die diesen Berichten Glauben schenken.
Allerdings möchte ich noch auf ein interessantes Dokument hinweisen, welches mir vor einiger Zeit in die Hände fiel. Es handelt sich um ein Schriftstück, in welchem eine Begebenheit aus dem Leben König Abanors aufgezeichnet ist. Mir ist weder bekannt, ob dieses Schriftstück aus der Geheimbibliothek stammt, von der Aristolis berichtet, noch, ob der Inhalt tatsächlich wahr ist. Tatsache ist jedoch, daß es allem Anschein nach sehr alt ist und vermutlich tatsächlich aus der Zeit vor der neuen Zeitrechnung stammt. Alleine das ist schon höchst bemerkenswert, sind doch bisher Schriften aus dieser Zeit sehr selten. Ich möchte daher den Inhalt hier wiedergeben:
Die Drachenklinge
König Abanor selbst soll dereinst die "Drachenklinge" in Auftrag gegeben haben. War sie ursprünglich nur als Zierde seines Thronsaales gedacht, führte er sie in späterer Zeit auch in mancher Schlacht. Schließlich führte man sein hohes Geschick im Kampf und seine vielen Siege auf das Schwert zurück und es gab sogar Stimmen, die der Waffe magische Kräfte andichten wollten.
Eine besondere Begebenheit wird erzählt, und zwar, wie die Drachenzeichnung auf die Klinge kam. Ursprünglich hatte daß Schwert nämlich keine solche Verzierung. Es wird berichtet, daß König Abanor einige Jahre vor seinem Tod Berichte erhielt, daß sich ein grüner Drache auf seinen Ländereien gezeigt hätte. Drachen sind selten heutzutage und früher hatten oftmals ganze Generationen keinen solchen zu Gesicht bekommen. Nun aber war einer aufgetaucht, ein riesiges grünes Ungeheuer, von dem niemand wußte woher es gekommen war. Es tyrannisierte die Landbevölkerung, riß ganze Viehherden nieder und verwüstete Felder und Dörfer.
Als der Lindwurm immer schlimmere Schäden anrichtete und sich bereits einigen größeren Ansiedlungen näherte, ließ König Abanor ein Heer ausrüsten. Er selbst ritt an der Spitze seiner Mannen dem Drachen entgegen, um dem Untier den Garaus zu machen. Bald stand die Schar dem Ungeheuer gegenüber und es entspann sich ein wilder Kampf. Abanor selbst stritt an vorderster Front ganz wie in alten Tagen. Obwohl zahlreiche seiner Männer den Tod fanden, gelang es ihnen schließlich, den Drachen niederzuwerfen und tödlich zu verwunden. Der König selbst machte seinem Todeskampf ein Ende, indem er ihm sein Schwert tief in den Hals stieß. Als er sein Schwert aus dem Drachen zog, war es vom Blut des Monsters besudelt. Es zischte und brodelte auf der Klinge wie von Säure und der König beeilte sich, den Stahl zu säubern. Zurück blieb die Zeichnung eines Drachen, für immer eingeätzt in den blanken Stahl.
Als der König dann von der Hand des gedungenen Mörders fiel, wurde ihm das Schwert mit ins Grab gelegt. Dort ruht es nun als Zeichen seiner einstigen Macht und Größe. Seit dem Tod des Königs sind die Zeiten schlimmer geworden und es scheint so, als würde uns eine lange Dunkelheit bevorstehen.
Tamar, im Jahre 505