Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Im letzten Chronikeintrag berichtete ich vom Fortgang des Eonwe, Herold im Dienste des Lord Feanor. Dieser hatte vor seinem Abschied den großen Tamar-Atlas zur allgemeinen Benutzung freigegeben. Während die Halle, in der die Kartenoriginale aufbewahrt werden, früher durch gestrenge Wachposten vor unberechtigtem Zutritt geschützt wurde, kann nun jeder einen Blick auf dieses großartige Werk werfen. Ein Schreiber namens Celar, welcher im Dienste des Eonwe stand und an der Arbeit zu diesem Atlas beteiligt war, rief nun die Reiche Tamars auf, zur Erneuerung des Atlanten beizutragen. Da die letzten Ergänzungen schon viele Jahre zurückliegen, ist es erforderlich, daß Regenten, welche sich der Erforschung der Landstriche widmen, welche die bekannte Welt immer mehr erweitern, ihre selbst gefertigten Karten zur Verfügung stellen. Diese sollen dann in die vorhandenen Aufzeichnungen eingebunden werden. Es wäre wünschenswert, wenn der Atlas in Zukunft wieder nahezu alle bekannten Gebiete einschließen würde, wie er es in seinen besten Jahren schon einmal tat.
Lord Priamos startete einen Angriff auf Lord Roderich, welcher im Reich derer von Blankenburg Lord Albarich auf dem Regentenstuhl ablöste. Daraufhin erklärte der Norderbund, daß Lord Faustus mit sofortiger Wirkung wieder Heermeister des Bundes sei. Lord Faustus war einst von diesem Posten entbunden worden, nachdem er ebenjenen Lord Priamos grundlos attackiert hatte.
Auch in diesem Eintrag kann natürlich ein Bericht zu Neuigkeiten aus dem Guotherreich nicht fehlen. Man mag es kaum glauben, aber der ebenso berühmte wie berüchtigte Kuno Killerkarpfen ist wieder da. Kaum, daß verkündet wurde, er sei dem Ruf seiner Familie gefolgt, da künden schon eine Vielzahl von Anschlägen in der Halle der Aushänge von seiner Rückkehr. Angeblich befand er sich auf einer Urlaubsfahrt auf einem Schiff der Guotherflotte, als dieses Schiff von Lady Beatrix angegriffen wurde. Zu Recht stellt sich da natürlich die Frage, wie er dazu kommt, sich an Deck eines Schiffes zu vergnügen, wenn doch angeblich seine weit entfernt lebende Familie so dringend seiner Unterstützung bedarf. Wie stets bei den überraschenden Rückmeldungen, welche uns nun schon seit vielen Jahren mit geradezu beunruhigender Regelmäßigkeit aus dem Umfeld der Guotherländereien erreichen, ist es wohl nicht zu erwarten, daß es dazu jemals eine befriedigende Erklärung geben wird. Mittlererweile rechnet wohl auch kaum ein Regent auf Tamar damit, daß sich einer der Guothers oder Killerkarpfens tatsächlich für immer aus dem öffentlichen leben zurückzieht, wenn er seinen Abschied verkündet.
Nachdem sich Kuno Killerkarpfen also mit gewohnt rüdem Ton und seinen vom ihm so geliebten Verslein wieder in den Mittelpunkt gerückt hatte, kam dann noch der Höhepunkt dessen, was man wohl am besten mit dem Wort Schmierenkomödie bezeichnen kann. Lord Laurentius, derzeitiger Regent auf dem Thron des Guotherreiches, bot ihm den Oberbefehl über die Reichsflotte an und Kuno willigte freudig ein. Ein Schaudern mag so manchen Lord angesichts dieser Wendung überkommen haben, wenn er an die Zeiten zurückdenkt, in denen ein Kuno Killerkarpfen mit dem völligen Fehlen von Moral und Anstand von sich reden machte, als er die von ihm in diversen Seegefechten gemachten Gefangenen an Schweine verfüttern ließ.
Lord Laurentius versuchte kürzlich auch, Friedensverhandlungen mit den Reichen der Lords Thaddaeus und Faustus auf den Weg zu bringen. Nachdem er sich bereit erklärte, über eventuelle Bedingungen zu einem Friedensschluß zu verhandeln und auch umfangreiche Ausgleichszahlungen in Aussicht stellte, schien es tatsächlich eine Chance zu einem baldigen Ende des Blutvergießens zu geben. Leider nahm der Wortlaut der zwischen den Parteien gewechselten Schreiben bald einen allzu vertrauten Ton an und schließlich war nicht mehr vom Frieden die Rede, sondern beide Parteien ergossen sich in immer neuen gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Zwei seltsame Schreiben zogen meine Aufmerksamkeit auf sich, als ich wieder einmal die weiten Hallen durchstreifte, in denen die Damen und Herren aller Reiche ihre Aushänge anschlagen. Im ersten Schreiben erklärte Lord Leifir von Ronanien dem Lord Potter den Krieg. Angeblich habe es dieser schon seit vielen Jahren auf einen solchen Krieg angelegt und den Ausschlag habe die Versenkung eines ronansichen Schiffes gegeben. Während ich schon befürchtete, daß ein weiterer Krieg aufbranden würde, fiel mein Blick auf ein zweites Schreiben, welches direkt unter dem ersten hing. Auf nur wenig später datiert als das obere Schreiben, entschuldigte sich der besagte Lord Leifir in dem neuerlichen Aushang plötzlich für die Kriegserklärung. Das Alles sei nur auf Fehlinterpretationen und Mißverständnisse zurückzuführen und der Aushang der Kriegserklärung sei unwahr und falsch. Er bot Lord Potter sogar Entschädigungen an für die Angrife, die schon befohlen wurden. Wirklich höchst seltsam, wenn man bedenkt, wie zornig sich Lord Leifir noch im ersten Brief über Lord Potter geäußert hatte.
Tamar, im Jahre 495