Jahr 485
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Nach einer langen Zeit, in der es recht ruhig um das Reich der Guothers
gewesen ist, gelangten interessante Nachrichten ans Licht. In der Halle der
Aushänge meldete sich ein gewisser Eberhard von Stetten zu Wort, der sich
als Verwalter des Guotherreiches vorstellte. Er behauptete von sich, er
habe schon mehrere Reiche anderer Herren als Verwalter auf Zeit geführt und
verfüge von daher über einige Erfahrung. Nur seltsam, daß er nie vorher in
Erscheinung trat und offenbar noch nie jemand etwas von ihm gehört hat.
Seine Wortmeldung hing damit zusammen, daß Lord Potter Angriffe auf das
Guotherreich durchführte. Lord Potter erklärte Herrn von Stetten, daß der
Krieg zwischen seinem Reich und dem Reich der Guothers nie beendet wurde
und er deshalb auch weiter militärisch gegen seinen Gegner vorgehen würde.
Herr von Stetten erklärte im Übrigen auch das Schicksal des selbsternannten
Friedensstifters Bruno Killerkarpfen, welcher nämlich nach seiner Aussage
in einem Kerker sein Dasein friste. Kuno Killerkarpfen hingegen sei wohlauf
und genieße seinen Ruhestand.
Eberhard von Stetten sprach in der letzten Zeit sehr viel davon, daß er
Frieden schaffen wolle. Allerdings verscherzte er sich einige Sympathien,
als er in einem seiner Schreiben einen Vorfall erwähnte, mit dem sich Bruno
Killerkarpfen einige Feinde gemacht hatte. Dieser hatte nämlich kurz nach
seiner Machtübernahme nach eigenen Aussagen in der Zentraltaverne Tamars
eine Taufe vorgenommen, während der er die Lords Threepwood und Thoralf
damit beleidigte, daß er ihnen ganz und gar unsägliche Namen gab. Als Herr
von Stetten nun diesen Vorfall wieder erwähnte und Lord Thoralf auch noch
mit dem damals gefallenen Namen ansprach, nahm seine Glaubwürdigkeit, was
den Bruch mit Bruno und seinen angeblichen Friedenswillen anbelangt,
gewaltigen Schaden. Mancher Lord wieß ihn auch darauf hin, daß es
ihm als Verwalter an Demut und standesgemäßem Betragen fehle, da er doch
als verwaltender Regent auf Zeit nur ein Diener des Reiches sei, dessen
Interessen er derzeit vertritt.
Lord Albarich ist nach Berichten aus dem Reiche derer von Blankenburg
schwer erkrankt. Alberich machten wohl die Umstände in seinem Reich schwer
zu schaffen, da es seinen Untertanen nach mehreren Dürren an vielem
mangelte. Später meldete sich Lord Roderich von Blankenburg zu Wort,
welcher sich schon seit einiger Zeit als guter Freund und Kampfgefährte des
Lord Potter in einigen Schreiben auf dessen Seite stellte. Er forderte vom
hohen Rat des Reiches, ihm die Regierungsgewalt zu übergeben. Schließlich
willigte der hohe Rat ein und Lord Albarich selbst ließ noch ein Schreiben
aushängen, in dem er Lord Roderich seinen Thron überließ. So übernahm im
Frühjahr des Jahres 484n.A. Herr Roderich die Macht im Reich Blankenburg.
Kurz darauf erklärte er kurzerhand den Lords Lipsius, Merlin sowie dem
Guotherreich den Krieg. Außerdem auch Lord Phredo, einem der
Barbarenführer, dessen ständige Kommentare zu seinen Schreiben ihn wohl
stark verärgert hatten. Nun ist Lord Phredo schon länger dafür bekannt,
sich öfters ungefragt zu Wort zu melden und seine Meinung kundzutun, ob das
nun erwünscht ist oder nicht. Allerdings dürfte diese Kriegserklärung in
nächster Zeit noch ohne schwerwiegende Folgen bleiben, denn die Reiche der
beiden Herren sind durch eine Barriere getrennt.
Lord Roderich wurde vorgeworfen, er werde nur vorgeschickt, um Krieg zu
führen, aber dabei vergessen die entsprechenden Herren die anderen Fälle
der Vergangenheit, in denen Ähnliches geschehen ist. Man denke nur an den
Machtwechsel im Guotherreich, als Bruno Killerkarpfen sich selbst zum Papst
ernannte und als angeblicher Friedenstifter nichts Eiligeres zu tun hatte,
als Krieg zu beginnen. Da waren die gleichen Stimmen, die jetzt so laut
zeterten, erstaunlich ruhig. Aber schon in früheren Jahrhunderten gab es
solche Fälle. Mancher von den Alten wird sich noch an den ruchlosen
Schwarzmagier Thargo erinnern, der im Reich des Lord Lucksi die Macht an
sich riß, um mit Umstürzlern im Reich von Lord Sauron gemeinsame Sache zu
machen und einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Schließlich könnte man auch behaupten, daß Eberhard von Stetten nur deshalb
als Verwalter des Guotherreiches auftrat, um Schaden von ebenjenem Reich
abzuwenden, nachdem Bruno so rüde das Zepter geführt hatte. Wer weiß schon,
was an der Mär vom im Kerker schmachtenden Bruno wirklich wahr und was nur
vorgeschoben ist. Zu oft hat nun ein neuer Hintern den Thron im
Guotherreich gewärmt, als das man einem neuen Regenten einfach so Glauben
und Vertrauen schenkt und sei er auch nur ein gutmeinender Verwalter.
Lord Faustus griff vor kurzem Lord Priamos an. Die darauf aufbrandende
Entrüstung legte sich nur allmählich. Selbst als Lord Faustus als
Heeresquartiermeister zurücktrat und vom Norderbund auch offiziell dieses
Amtes enthoben wurde, beruhigten sich die Gemüter nur langsam. Man hofft
aber nun auf eine friedliche Einigung, verbunden mit einer Entschädigung
für Herrn Priamos. Sowohl in dieser, als auch in anderen Angelegenheiten
meldete sich in letzter Zeit des öfteren der Sohn des Lord Thoralf zu Wort.
Dieser, mit dem Namen Uriens von der Erpf, wurde von einigen Herren
angegriffen, weil er zu forsch in seinem Umgangston wäre. Man verlangte von
Lord Thoralf, das er seinen Sohn zurechtweise. Dieser dachte jedoch gar
nicht daran, sondern bestätigte Uriens in seinen Aussagen und billigte ihm
das selbstverständliche Recht auf eine eigene Meinung zu. Bei diesen, wie
auch vielen anderen Schreiben, welche ich mir Jahr für Jahr durchlese,
fällt mir ein altes Sprichwort ein, welches da lautet: So mancher Herr
sieht zwar den Splitter im Auge seines Gegenüber, jedoch nicht den Balken
in seinem eigenen Auge.
An dieser Stelle möchte ich einmal kurz von einem Bündnis schreiben,
welches bisher noch nicht in diesen Chroniken erwähnt wurde. Dieser Bund,
mit dem Namen Germanitas Assassini, wurde einst von Lord Temutschin ins
Leben gerufen. Diese Allianz ist nicht zu kriegerischen Zwecken erschaffen
worden und bisher führte sie auch noch keine Kriege. Ihr Zweck ist Hilfe
und Unterstützung, wo immer Not herrscht. Lord Temutschin brachte vor
kurzem die Sprache auf diesen Bund, als er einer seit kurzem auf Tamar
siedelnden Lady dessen Zweck erläuterte. Seine Aussage, die Germanitas
Assassini seien nur deshalb noch nicht in diesen Chroniken erwähnt worden,
weil sie noch keine Kriege geführt hätten, konnte ich unmöglich so stehen
lassen. Diese Erwähnung soll einmal mehr als Beispiel dienen, das
Kriegstreiberei und Streitlust zwar oftmals dazu führen, daß die
Betreffenden in diesem Werk erwähnt werden, daß es aber beileibe der
schlechteste Weg ist, um der Nachwelt im Gedächtnis zu bleiben.
Zuguterletzt möchte ich hier noch ein Schreiben wiedergeben, welches der
Führer der Barbarenclans, Lord Tuborius, verfasste. Nachdem Lady Tarasia in
einem Aushang nachfragte, was denn nun genau Barbaren seien, kamen leider
nur einige recht unbefriedigende Aussagen. Lord Turborius aber verfaßte
eine Beschreibung, die gar trefflich das Wesen dieser Völker beschreibt,
welche wir als Barbraen kennen:
Werte Lady Tarasia,
wir nennen uns Barbaren, weil man uns so nennt. Wir sind "die Anderen". Wir
sind die, vor denen sich die alten Herren fürchten, wenn gleich sie
versuchen, auf uns herabzusehen. Wir halten nichts von der "Zivilisation"
in ihrer Selbstherrlichkeit und Doppelmoral. Geprägt von Egoismus,
Gleichgültigkeit, Habgier, Lug und Trug. Wir haben unsere eigene Kultur und
wissen auch die Kultur anderer Völker zu schätzen. Sicher mag unsere Kultur
den blassen Gemütern hinter ihren Schreibtischen, den Amtsschimmeln und
Bütteln der Monarchie ein Gräuel sein. Aber wir leben unseren Glauben an
Freiheit und Aufrichtigkeit, den Glauben an eine Welt ohne Gesetze und ohne
Regeln. Eine Welt in der der gesunde Menschenverstand und die pure echte
Auseinandersetzung auf dem Turnierplatz die Dinge regeln. Eine Welt ohne
die Verdummung des Volkes durch klerikale Institutionen. In unserer Welt
darf jeder tun und lassen, was er will. Jeder (damit meine ich Männer und
Frauen!) darf seine Meinung kund tun und gemäß seiner Überzeugung leben.
Freilich muss jeder auch mit den Konsequenzen seiner Handlungen leben. Und
mit dieser Einstellung, die wir allen unseren gleichberechtigten
Mitbarbaren entgegen bringen, begegnen wir auch allen anderen Völkern.
Dieses hätte sich ein gewisser Herr Molari z.B. überlegen sollen. Wir sind
dafür bekannt, nicht auf zarte Andeutungen zu reagieren, Dinge wörtlich zu
nehmen und gelegentlich nur das zu hören, was wir hören wollen. Wer das als
Dummheit auslegen will, mag es tun. Für uns sieht die Sache anders aus. Und
wer uns für dumm hält, wird sehen, was er davon hat.
Ihr werdet uns noch kennen lernen.
Bald.
Turborius Maximus
Stadthalter von Karthago
Tamar, im Jahre 485
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