Jahr 435
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Dieser Chronikeintrag wird leider einige schlechte Nachrichten beinhalten. So erklärte Lord Phredo in einem öffentlichen Brief, daß er sich in eine bereits verheiratete Lady verliebt hätte. Diese unerfüllte Liebe habe ihn sogar dazu veranlaßt, Pläne zur Ermordung ihres Ehegatten zu schmieden, weswegen er sich dazu entschlossen habe, in die Verbannung zu gehen, um Buße zu tun. Die Lady, um die es sich dabei handelt, nämlich die holde BreacaBorken, und ihr Gatte, Lord Loewenherz, zeigten sich gleichermaßen entsetzt und bestürzt ob dieser Offenbarung.
Die schlimmste Nachricht der letzten Jahre erreichte uns jedoch aus dem Reich von Lord Feanor. Die edle Lady Rajana weilt nicht mehr unter uns. Sie kam auf tragische Weise ums Leben. Angesichts dieses furchtbaren Unglücks fehlen mir beinahe die Worte. Ich möchte an dieser Stelle den von Trauer erfüllten Bericht eines Barden wiedergeben, der vom Ende eines so wertvollen Lebens berichtet:
"Vor Jahren begab es sich, dass dem Hause des Kaisers eine Tochter geschenkt wurde, gezeugt vom hochedlen Armand Guother, geboren von der lieblichen Veridian. Sie wuchs auf in der liebevollen Fürsorge ihrer Eltern und lernte von den Weisen und Gelehrten, was sie nur konnte. Ihre Schönheit und ihre Klugheit ließen so manchen edlen Herrn an ihre Tür klopfen, doch keinem fühlte sie sich zugetan, keinem mochte sie ihr Herz schenken. Doch eines Tages weilte einer der Ordensritter ihres Vaters auf der Burg, und als die beiden sich erblickten, entbrannten sie in Liebe zueinander und mochten nie mehr voneinander lassen. Feanor war des Ritters Name, aus dem Volke der Eldar, Sohn von Baron Jinx und Lady Virago. Und bald darauf feierte man die Hochzeit. Die Jahre vergingen, doch ihre Liebe erblühte und obgleich ein jeder in seinem Reiche regierte, reisten sie oft zueinander. Ihre Ehe trug Früchte und Rajana schenkte einem Sohn und einer Tochter das Leben. Als die beiden das zweite Jahr erreichten, entschied sie, ihr Reich aufzugeben und zu ihrem Gemahl zu ziehen, um den Kindern die Familie zu geben, die sie selbst dereinst hatte. Ihre Kinder vorrausschickend, kümmerte sie sich darum, dass ihr Land gut verwaltet war und so wie sie es bestimmt hatte verteilt würde. Alsdann setzte sie sich in die Kutsche und fuhr ihrer neuen Heimat entgegen. In finsterer Nacht jedoch geschah das Unglück. Krieger aus lang vergangenen Zeiten erhoben sich aus ihren Gräbern und Rajanas Kutsche geriet unter sie. Die Wachen kämpften wie Löwen, doch gegen die immer neuen Scharen beinerner Kreaturen fiel einer nach dem anderen. So kam es, dass Feanor, der seine Mannen kurz darauf in den Kampf gegen eben jene Unholde führte, seine über alles geliebte Frau in ihren Reihen fand. Zerrissen waren ihre Kleider, die einst so samtweiche Haut aschfahl und von den Klingen der Knochenkrieger gezeichnet. Unter Tränen fiel er auf die Knie und seine Männer hatten Ihre Not ihn aus dem Getümmel der Schlacht zu bringen. Doch riss er sich los und rannte voller Zorn und Trauer gegen die untoten Heerscharen an, zerschmetterte Knochen und Schädel und hieb die morschen Rüstungen entzwei. Und als Feanor vor seiner geliebten Rajana stand, zitterten ihm die Hände. Er wollte nicht glauben, dass es seine Liebste war. Doch als sie auf ihn zuwankte, die Arme erhoben, um ihn zu packen, da wusste er, dass seine geliebte Frau nicht länger auf Tamar war. Im letzten Moment hob er den Arm, und von seinem Schwert durchbohrt, fiel ihr Körper in seine Arme. Und inmitten der Schlacht hielt er sie fest und vergoss Tränen über ihren Leib, während seine Mannen einen schützenden Kreis um sie bildeten und die Verdammten bis zum Letzten niederstreckten.
So endet die Geschichte der lieblichen Rajana. Aus dem Leben gerissen von der Hand der Wiedergänger, getötet durch das Schwert ihres Liebsten. Niemals soll sie vergessen sein, solange die Welt dauert."
Lord Feanor erklärte unterdessen, daß Rajana ihre letzte Ruhe auf der selben Insel finden werde, auf der sie einst mit ihm vermählt wurde. Zu ihrem Gedenken wird dort eine Kapelle errichtet werden, in der ihr ewiger Schlaf von den besten und treuesten Rittern bewacht werden soll.
Angesichts dieser Schreckensbotschaft erlitt der Vater der holden Rajana, Armand Guother, einen Schwächeanfall. Er wird zur Zeit von den besten Medici seines Reiches versorgt. Kuno Killerkarpfen, der sich in den letzten Jahren zusammen mit seinem Bruder Bruno vermehrt dem Kampf gegen die untoten Horden gewidmet hatte, übernahm nach eigenem Bekunden vorübergehend wieder die Amtsgeschäfte im Guother-Reich. Ebenfalls angesichts des Todes von Lady Rajana wurde die geplante Hochzeit zwischen Lady Ivenhoe und Lord Tankred Bilijam auf unbestimmte Zeit verschoben.
Ein kleiner Lichtblick war für mich eine beinahe unscheinbar Notiz in der Halle der Aushänge, welche vermutlich von vielen kaum beachtet wurde. Darin entschuldigte sich Lord Merlin öffentlich für einen versehentlichen Grenzübertritt. Eine seiner Truppen war bei dem Bestreben, das Land des in die Verbannung gegangenen Lord Phredo zu sichern, auf das Gebiet des Lord Threepwood geraten. Diese Ländereien werden von Lord Merlin gesichert, damit sie von Lady BreacaBorken übernommen werden können, denen sie Lord Phredo als Versuch einer Wiedergutmachung seiner Verfehlungen zugesprochen hatte. Angesichts der Tatsache, daß sich Lord Merlin in früheren Jahren gelegentlich mit höchst undiplomatischen Äußerungen bei einigen Herren unbeliebt gemacht hat, ist es doch sehr erfreulich, daß mancher Lord auch in hohem Alter noch lernfähig ist. Es bleibt zu hoffen, daß ein gepflegter Umgangston und ritterliches Verhalten wieder vermehrt Einzug halten in den Umgang der vielen Reiche Tamars miteinander.
Tamar, im Jahre 435
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