Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Papst Coniglius ließ vor kurzem verkünden, daß er mit aller Härte gegen
jene vorgehen will, die angeblich dem Glauben des Kathekhysmus lästern oder
sich der Hexerei schuldig machen würden. Mal ganz davon abgesehen, daß mir
in meinem langen Leben noch kein einziger Fall von Hexerei zu Ohren
gekommen ist und dann immer noch zu klären wäre, was denn nun eigentlich
eine Hexe ist und wie sich Hexerei als solche äußert, scheint sich der
selbsternannte Papst doch sehr weit vorzuwagen mit solchen Pamphleten.
Bruder Justus hat unlängst in einem öffentlichen Aushang erklärt, warum
genau er den Papst für einen Schwindler hält. Nach seinen Erläuterungen war
die Erscheinung der heiligen Guridh, welche Coniglius dazu bewog, sich als
Papst zu erklären, nichts weiter als ein höchst unpassender Streich, den
einige Mönche Coniglius spielten. Da dieser aber trotz der Tatsache, daß
das Ganze nur ein Streich war, und er das auch wußte, die Gelegenheit
ergriff, sich zum obersten Würdenträger der Kathekhysmus-Kirche
aufzuschwingen, hält ihn Bruder Justus für einen Schwindler und
Hochstapler, der sich mit dieser Aktion mehr Macht und Einfluß sichern
wollte.
Da hier Aussage gegen Aussage steht, kann man unmöglich sagen, wer nun
Recht hat. Eines ist jedoch sicher; selbst wenn Coniglius nur aufgrund
eines Schwindels oder Streiches zum Papst geworden ist, rechtfertigt das in
meinen Augen keinesfalls, sein Kloster mit Waffengewalt zu überfallen und
den Versuch zu machen, ihn umzubringen.
Lord Skröggur wandte sich an die Öffentlichkeit, weil sein Reich von den
Herren Samyl und Geiserich überfallen wurde. Die Herren gaben als Grund an,
daß Lord Skröggur mit den Orks paktieren würde und außerdem ein Schiff der
kaiserlichen Flotte angegriffen habe. Er habe dafür gesorgt, daß die Orks
große Armeen aufstellten und es dann auch noch bewerkstelligt, daß diese
Orkhorden über kleine Reiche in seiner Nachbarschaft hergefallen seien. Die
Angreifer blieben bisher jeden Beweis für diese geradezu lächerlichen
Anklagen schuldig.
Nichtsdestotrotz hatte Kaiser Guother nichts Eiligeres zu tun, als den
neuerlichen Angriff gutzuheißen. Der Verdacht liegt nahe, daß Samyl und
Geiserich mit diesem Überfall lediglich neue Ressourcen und Ländereien für
das Kaiserreich erschließen wollten, welchem sie ja beide dienen, während
Skröggur dem Kaiser eher neutral gegenüber steht. Trotz aller Proteste von
anderen Regenten führten die beiden mit der Unterstützung weiterer
kaisertreuer Reiche den Krieg unvermindert fort und es wäre wohl schlimm
für Skröggur ausgegangen, wenn sich nicht Hilfe von ungewöhnlicher Seite
gefunden hätte.
Mitten in den schlimmsten Kämpfen meldete sich die Kriegerin Elenora Dannen
im Auftrage des Rats von Narum zu Wort und forderte die sofortige
Einstellung aller Angriffe. Lord Skröggur ist nämlich schon seit längerem
in Verhandlungen mit dem Narumschen Rat gewesen, um diesem als Vasall zu
dienen. Nun wurde diese Vasallenschaft öffentlich gemacht. Elenora Dannen
forderte die Angreifer ebenfalls auf, Beweise für ihre Behauptungen
bezüglich der Orks auf Skröggurs Land vorzulegen, welche diese neuerlich
schuldig bleiben mußten. wie könnten sie auch Beweise vorlegen für
solcherart hanebüchenen Unsinn.
Die Tatsache, daß mancher Lord der Orks nicht jederzeit Herr wird und das
verirrte Orktruppen auch kleinere Reiche in der Nachbarschaft ihres
eigentlichen Zieles nicht verschonen, ist doch hinlänglich bekannt und
leider nicht immer zu verhindern. Wenn man nur genau suchen würde, könnte
diese Begründung auf fast jedes größere Reich auf Tamar bezogen werden, was
dann ja heißen würde, das all diese Reiche das mit Absicht verfolgen und
sich so zu Verbrechern gegen kleine Reiche machen würden. Da müßte der
Kaiser am Ende ja auch die Hälfte seiner guten Freunde des selben
Verbrechens anklagen und sie dann zur Vernichtung freigeben. Wenn man schon
über einen neutralen Gegner herfallen muß und sich dazu auch noch des
kaiserlichen Segens versichert, sollte man doch wenigstens die Mühe
aufbringen, einen etwas sinnvolleren Grund für solch einen Angriff zu
erfinden. Selbst in den Reihen der Getreuen des Kaisers gehen jedoch die
Meinungen zum Krieg gegen Skröggur auseinander, denn wie ich aus sicherer
Quelle erfuhr, haben sich ein oder sogar mehrere Angehörige des
kaiserlichen Staatenbundes gegen die Rechtmäßigkeit dieses Krieges
ausgesprochen.
Mittlerweile ist ein Frieden zwischen Baron Skröggur und dem Kaiserreich
ausgehandelt worden. Mir ist zu Ohren gekommen, daß die Bedingungen für
eine Einstellung der Kampfhandlungen gegen Baron Skröggur alles andere als
großzügig waren. Lediglich aufgrund der Tatsache, daß er dem Ansturm
mehrerer großer Reiche nicht mehr lange hätte standhalten können und daß er
die aufrichtigen Bemühungen seiner neuen Lehnsherrin Elenora Dannen um eine
Beilegung des Konfliktes nicht zunichte machen wollte, ließen ihn den
harten Bedingungen schließlich schweren Herzens zustimmen.
Nachdem der sogenannte Großinquisitor Yildraus im Auftrag des Kaiserreiches
Lord Aquilar besiegt hatte, ereilte ihn nun ein unrühmliches Ende. Von
einem Tag auf den anderen lagen seine Städte in Trümmern, seine Ländereien
herrenlos und von ihm selbst fehlte jede Spur. Gerüchte besagen, er habe
sich mit dunklen Mächten eingelassen und sei dafür hart, aber gerecht
bestraft worden. Der Kaiser ließ kurz darauf verkünden, daß Yildraus vom
Inquisitor des Guridh-Ordens in Haft genommen worden sei und in den Kerker
geworfen wurde.
Auch ein neuer Inquisitor für das Kaiserreich war schnell erkoren. Es soll
kein Geringerer werden, als der im Krieg gegen Baron Skröggur höchst
unrühmlich in Erscheinung getretene Vicomte Geiserich. Nicht genug damit,
daß er mit Begeisterung in den Krieg gegen Skröggur zog und auch vor dem
Niedermachen tausender Unschuldiger nicht zurückschreckte, so führte er den
Kampf sogar während der Verhandlungen zwischen Skröggur und dem Kaiserreich
weiter. Nur höchst widerwillig und zögerlich folgte er der Order des
Kaisers, die Kämpfe einzustellen. Dann brüstete er sich noch voller Stolz
seiner vorgeblichen Heldentaten und seiner Freude am Kriegshandwerk,
woraufhin ihn Kaiser Guother nicht nur lobhudelnd zum neuen Inquisitor
ernannte, sondern auch noch bekanntgab, daß es fortan einen Orden mit dem
Namen Geiserichs im Kaiserreich geben solle. Da stellt sich doch wirklich
die Frage, wofür man dieses "Geiserichkreuz" wohl verleihen will, wenn
nicht für besonders brutales Vorgehen gegen Armeen und Zivilbevölkerung von
Gegnern des Kaiserreiches. Bezeichnenderweise ist nichts darüber bekannt,
ob der Kaiser auch eine besondere Medaille für Verdienste auf dem Gebiet
von Diplomatie und Friedensstiftung verleiht.
Überhaupt scheint nur wenig von dem Armand Guother übrig geblieben zu sein,
der vor einigen Jahren aus seinem Altersruhesitz zurückkehrte, um die
Geschicke Tamars zu wenden. Wo sind die hehren Ziele geblieben, möglichst
alle Völker und Reiche unter der Regentschaft eines weisen und gütigen
Kaiseres zu einen? Was ist aus den Versprechen geworden, Frieden auf Tamar
zu stiften und im Sinne des unvergessenen Königs Abanor zu herrschen?
Man mag nun anführen, daß auch Abanor zu seiner Zeit Kriege führte und hart
gegen seine Feinde vorging. Da aber liegt der Unterschied. Abanor bekämpfte
reale Feinde, er hatte es nicht nötig, Kriege unter nichtigen Vorwänden vom
Zaune zu brechen. Nirgendwo in den, zugegebenermaßen spärlichen,
Überlieferungen aus der alten Zeitrechung ist die Rede davon, daß der König
zur Verfolgung von irgendwelchen Hexen aufrief oder gegen Dämonen zu Felde
ziehen wollte. All das Gerede von Hexen, Dämonen und Inquisition sind doch
nur fadenscheinige Vorwände für einen immer gwaltsameren Weg von Kaiser
Guother. Angeblich herrscht im Kaiserreich Glaubensfreiheit, aber immer
öfter ist von Hexen und Ketzern in nicht kaiserlichen Reichen die Rede,
welche angeblich den Glauben an Guridh und den Allvater verleugnen.
Ich habe einst dem frischernannten Kaiser Armand Guother eine Schreibfeder
zum Geschenk gemacht. Dabei hatte ich die Hoffnung, daß er dieses
symbolische Geschenk richtig zu deuten weiß und sich lieber diplomatischer
Mittel bedient, anstatt Tamar mit Krieg und Gewalt auf seinen Weg zu
zwingen. Nie hatte ich erwartet, daß er sich dazu herablassen würde, solche
wirren und fanatischen Pamphlete zu verfassen, welche immer deutlicher nur
eines zeigen: Die einzigen Dämonen, welche Armand Guother bekämpfen muß,
befinden sich in seinem Geist.
Lady Altair, von welcher ich im letzten Chronikeintrag berichtete, mußte
ihre mit spitzer Zunge vorgetragenen Reden gegen allerlei alteingesessene
Reiche schließlich teuer bezahlen. Nachdem es einige Zeit so schien, als
würde Lord Egbert sie nicht mehr beachten, stürmte dieser unverhofft mit
starken Armeen in ihr kleines Reich und vertrieb die Lady schließlich.
Obzwar sie mittlererweile eine neue Siedlung unter ihrer Regentschaft hat,
gebe ich ihr kaum mehr Aussicht auf Erfolg, da Lady Altair offenbar
beschlossen hat, ihr Temperament nicht zu zügeln, sondern stattdessen mit
noch frecherer Zunge und spitzerer Feder sich in allerlei Dinge
einzumischen, die sie eigentlich nichts angehen. So sehr ich die
erfrischenden Kommentare der Lady in den letzten Jahren schätzte, so sehr
fürchte ich, daß sie durch ihren Mangel an Feingefühl und ihr allzugroßes
Mitteilungsbedürfnis schon allzubald in neuen Schwierigkeiten stecken wird.
Ein bisher kaum in Erscheinung getretener Lord mit Namen Gygax trat
kürzlich ins Licht der Öffentlichkeit, als er einen Bund unabhängiger
Reiche ins Leben rief. Zwar ist mir außer seinem Namen, "Bund der weißen
Rose", nur recht wenig über diesen Staatenbund bekannt, aber es ist wohl
der Versuch, eine Vereinigung hauptsächlich kleinerer Reiche zu schaffen,
welche sich ihre Unabhängigkeit bewahren wollen. Besonders angesichts der
starken Verknüpfung von Guridh-Orden und Kaiserreich und der damit
verbundenen Machtkonzentration wollen diese Reiche einen losen Bund
darstellen, in welchem sich alle Mitglieder gleichberechtigt in
Freundschaft beistehen.
Tamar, im Jahre 370