Jahr 345
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Beginnen soll dieser Chronikeintrag wie versprochen mit einer Schilderung
der Hochzeit zwischen Graf Godefroy de Monmyraj und der holden Lady Ssringa
von Shangarr. Es war eine wirklich wundervolle Zeremonie, welche an einem
herrlichen Wintertag des Jahres 341 in der Festhalle zu Wolkenstein
abgehalten wurde. Die große und herrlich ausgeschmückte Halle war von
zahlreichen Kerzen hell erleuchtet. Den Mittelpunkt bildete ein großer
Altar, vor dem sich die Bänke für die Gäste aufreihten. Als immer mehr
Gäste erschienen, kam es zu einem recht kuriosen Zwischenfall, wollten sich
doch fast alle Gäste aus Bescheidenheit nur in die letzte Sitzreihe setzen.
Während diese nun in Kürze vollkommen überfüllt war und man dem Schreiner,
der sie gezimmert hat, ob der vorliegenden Belastung nur stille Bewunderung
zollen konnte, blieben die vorderen Bänke leer. Erst, als sich einige Gäste
weiter nach vorn setzten, und sich daraufhin auch der Rest einigermaßen
gleichmäßig verteilt hatte, konnte ohne Angst um das Gestühl begonnen
werden. Als Trauzeugen waren Graf Taurik von Rauhwasser und Lady Cailleau
neben den Altar getreten.
Das Ungewöhnlichste war aber doch die Person oder, besser gesagt, die
Erscheinung, welche die Zeremonie leitete und die Trauung vollzog. Es
handelte sich um eine nur aus Licht bestehende Gestalt, bei welcher es sich
um keinen Geringeren als den Geist des unvergessenen Lord Fox handelte. Es
handelte sich bei dieser Hochzeit meines Wissens um die bisher einzige
Gelegenheit, bei welcher der Geist eines Verstorbenen eine offizielle
Funktion ausübte. Wie ich später erfuhr, hatte der Geist von Fox das Herz
von Lady Ssringa bei seinen gelegentlichen Besuchen in der Zentraltaverne
mit allerlei launischen Lichtspielen erfreut und war deshalb vom Brautpaare
gebeten worden, als Zeremonienmeister zu fungieren. Die Trauung wird
ausführlich in einem Schreiben beschrieben, welches in der Halle der
Aushänge veröffentlicht wurde, deshalb verzichte ich hier auf weitere
Einzelheiten. Nur noch soviel, daß Feanor Curufinwe die Braut zum Altar
führte und Vicomte Lipsius zur Feier des Tages eine selbstverfasste Ode
vortrug. Die ganze Zeremonie war in hervorragender Weise vorbereitet und
durchgeführt, und die Gäste zeigten sich des Lobes voll sowohl über den
offiziellen Teil, als auch über das anschließende rauschende Fest, welches
in der gleichen Halle stattfand.
Nachdem der Aufruf zum großen Minnewettstreit nun schon einige Zeit
zurückliegt, konnten endlich auch die Sieger gekürt werden. Es waren ganz
hervorragende Beiträge von den Teilnehmern eingereicht worden und
schließlich ernannten die Juroren den Barden Gawarr von Troy zum Sieger,
welcher für seine Dienstherrin Lady Ssringa an den Start gegangen war. Auf
den Plätzen folgten dann die Kriegerin Elenora Dannen und Lady Deborah.
Neben Graf Godefroy, Baroness Morgana und Lady Rajana konnte ich mich als
Mitglied der Jury selbst von der hervorragenden Qualität aller
vorgetragenen Texte überzeugen.
Wieder einmal hat der Guridh-Orden von sich reden gemacht. Leider sind die
Neuigkeiten in letzter Zeit eher schlechter Natur. Als sich Lady Damasa,
welche auf Tamar bisher noch nicht in Erscheinung getreten war, erkundigte,
ob denn nun nach langer Zeit der neue Hochmeister des Ordens sich endlich
einmal vorstellen wolle, wurde sie von Baron Kuno mit einem höchst
unamgemessenen Kommentar abgewiesen. Die Lady hatte sich auf ein Schreiben
in der Halle der Aushänge bezogen, in dem es hieß, das sich der neugewählte
Hochmeister selbst vorstellen wird. Dieses Schreiben ist nun schon etwa
zwanzig Jahre alt und da erschien es Lady Damasa nur rechtens, doch einmal
nachzufragen, ob sich in dieser Sache nicht etwas tue. Nachdem sich Kuno
nun so unpassend geäußert hatte, gab es einen längeren Streit, in dem
Feanor Curufinwe, der sich als Ordensmitglied zu erkennen gab, Kuno erst
verteidigte und sich dann bei Lady Damasa entschuldigte. Dem Guridh-Orden
mangelt es anscheinend derzeit sowohl an der alten Ritterlichkeit, welche
zu Zeiten des ersten Ordenshochmeisters Armand Guother noch ganz
selbstverständlich war, als auch an einer gewissen Transparenz, was die
Informationen über den Orden anbetrifft.
Ebenfalls in der Halle der Aushänge tauchte kürzlich ein Schreiben auf, in
dem sich Tankred Guother noch einmal kurz zu Wort meldete und offiziell
sein Reich und alle seine Rechte an Kuno Killerkarpfen abtrat und diesen zu
seinem Nachfolger in allen Geschäften ernannte. Aus einem weiteren Aushang
geht hervor, daß Tankred kurze Zeit später Bruno Killerkarpfen, der ihm in
den Jahren seines selbst auferlegten Exils treu zu Diensten war, zu dessen
früheren Dienstherren Laurentius sandte. Dann bestieg er selbst ein Schiff
mit unbekanntem Ziel und damit hat er Tamar vermutlich für immer den Rücken
gekehrt.
Im Winter 345, kurz vor Fertigstellung dieses Chronikeintrages erreichte
die öffentlichkeit Tamars noch eine wahrlich schlimme Botschaft. Lady
Ssringa, welche in freudiger Erwartung baldigen Nachwuchses war, ist für
immer von uns gegangen. Während der Geburt ihrer Tochter, welcher es
leider nicht vergönnt war, das Licht dieser Welt zu erblicken, verstarb
sie. Voller Trauer versuchten viele Ladies und Lords dem Hinterbliebenen
Godefroy de Monmyrai Trost zu spenden, aber angesichts dieses Verlustes ist
das wohl nur schwerlich möglich. Auch mich hat der Tod von Lady Ssringa
schwer getroffen, hatte ich doch immer viel Freude bei ihren Besuchen in
der Taverne. Im Gedenken an sie wird fortan des Nachts eine Kerze im
Fenster der Zentraltaverne an sie erinnern. Kaum, daß ich die Kerze das
erste Mal aufgestellt hatte, wurden von mehreren Tavernengästen noch eigene
Trauerkerzen daneben aufgestellt.
Tamar, im Jahre 345
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