Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Zu Beginn dieses Chronikeintrages muß ich mich bei der geneigten Leserschaft
in aller Form entschuldigen, habe ich doch einen Eintrag ausgelassen. Die
meisten Bewohner Tamars werden aber sicherlich vollstes Verständnis haben,
da sie die Ursache sicherlich ebenso verwirrend fanden wie ich selbst. Ich
spreche von den neuerlichen Zeitsprüngen, die die Götter für uns bereit
hielten. Gleich zweimal hat die Zeitrechnung Tamars ein ganzes Jahr
übersprungen, ohne das irgendjemand dafür eine einleuchtende Erklärung
hätte. Langsam glaube ich, das es sich weniger um Prüfungen der Götter
handelt, sondern daß sich diese einen schlechten Scherz mit uns Sterblichen
erlauben. Kaum hat man sich damit abgefunden, daß einem die Erinnerung an
ein ganzes Jahr fehlt und alle Kalender ein Jahr ausgelassen haben, passiert
das Gleiche noch einmal. Das ist wirklich verwirrend und so kam ich nicht
umhin, die Ereignisse der letzten zehn Jahre (von denen ich, wie alle
anderen Bewohner Tamars, nur an derer acht Erinnerungen habe), in einem
einzigen Eintrag zusammenzufassen.
Endlich ist wieder relative Ruhe auf Tamar eingekehrt. Nachdem Medusas Reich
unter dem stetigen Ansturm der Truppen von Satai Gowenna gefallen ist
beruhigte sich das allgemeine Leben auf Tamar. Auch Lord Lucksi hat seinen
Rücktritt verkündet und inzwischen sind seine Länderein frei verfügbar. Zwar
gibt es hin und wieder kleinere Konfikte hier und da, aber all das hält sich
doch in Grenzen.
So hatten die Lords Aquilar und Gorix eine Auseinandersetzung um den
Grenzverlauf zwischen ihren Reichen. Nachdem sich Lord Aquilar aber ergeben
hatte, scheint diese Angelegenheit bereinigt zu sein. Aquilar konnte
kürzlich sogar einen Vasallen für sein Reich gewinnen.
In der dortigen Region Tamars gab es bis vor kurzem noch einen anderen
Konflikt, der leider mit der Vernichtung zweier Reiche endete. Zwischen den
Lords Yildraus und Arthus gab es seit einiger Zeit Zwist wegen einer
nichtigen Grenzangelegenheit. Leider griff Yildraus dann Arthus an, worauf
dessen Vasall Dionys an der Seite seines Lehnsherren mit in den Krieg
eintrat. Sowohl Arthus als auch Dionys wurden nach kurzem Kampf vernichtend
geschlagen und ihre Reiche ausgelöscht.
Dann gab es da noch den Fall des Lord Thoraldrus, der sich einen schlechten
Namen durch Überfälle auf fremde Handelsschiffe machte. Nachdem die
Beschwerden der zu Recht verärgerten Schiffsbesitzer überhand nahmen, klärte
sein Lehnsherr Charras das Problem auf eine recht endgültige und radikale
Weise. Er setzte Thoraldrus kurzerhand ab und übernahm dessen Ländereien.
Doch genug der unangenehmen Nachrichten, gibt es doch auch frohere Kunde zu
verbreiten. Was lange währt, wird endlich gut, könnte man angesichts einer
kürzlich gefeierten Hochzeit meinen. Lord Merlin und Lady Cailleau haben den
Bund fürs Leben geschlossen. Ich durfte dieser Zeremonie beiwohnen, welche
ein wirklich anrührendes Erlebnis war. Die Hochzeitsgäste wurden auf Schloß
Miranal in Lady Cailleaus Heimat willkommen geheißen. Dieses Schloß, gehört
es auch nicht unbedingt zu den größten seiner Art, ist doch eine Augenweide
von höchster Baukunst und Schönheit. Besonders die herrlichen
Bleiglasfenster erregten allgemeine Bewunderung bei den Gästen. Sie zeigen
sowohl Szenen aus der Landesgeschichte, als auch mythische Bilder. Am
hervorstechendsten war dabei das Bildnis eines goldenen Drachen im
Mittelfenster des Thronsaales.
Die eigentliche Trauung wurde dann vom guten alten Kaplan Traugott
vorgenommen, welcher es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen ließ,
auch dieses Mal zur Verfügung zu stehen. Leider ist Traugott vor kurzem
verstorben und wenn ich ihn auch nur bei wenigen Gelegenheiten treffen
konnte, so bin ich doch sicher, daß sein Tod eine große Lücke hinterläßt.
Stets war er zur Stelle, wenn Angehörige des Guridh-Ordens oder dessen
Freunde seelischen Beistand oder sonstige Hilfe brauchten. Er nahm Trauungen
und Kindstaufen vor und er hatte immer die passenden Worte parat.
Nach der Trauung wurde noch ein großes Fest abgehalten, auf dem ich die
Gelegenheit hatte, mit Großmeister Guother einige Worte zu wechseln. Er
berichtete mir, daß sein Bruder Laurentius noch immer in den Bergen
verschollen sei, in die er einst gegen die Orks gezogen war. Guothers Sohn
Tankred hatte ihn lange gesucht, und obwohl er einmal glaubte, eine Spur von
den Mannen um Laurentius gefunden zu haben, herrscht noch immer Ungewißheit
über dessen Schicksal. Fast schien es mir so, als würde mir Guother etwas
verheimlichen und auch Tankred machte einen niedergedrückten Eindruck.
Leider waren beide nicht zu bewegen, mir mehr zu erzählen.
Guother und seine Frau Veridian gaben vor kurzem bekannt, daß sie sich
endgültig von den Regierungsgeschäften zurückziehen wollen. Sie haben ihre
Ländereien ihren Kindern Tankred und Rajana übergeben und werden sich auf
eine Insel zurückziehen. Diese Insel, die sich fernab jeder Geschäftigkeit
befindet, soll ihnen einen friedlichen Lebensabend sichern. Folgenden Brief
hatten sie in der Halle der Aushänge anschlagen lassen. Ich möchte ihn hier
gerne wiedergeben, da es wünschenswert wäre, wenn alle Herrscher auf Tamar
sich diese Worte eindringlich zu Herzen nehmen würden:
" Wir werden schon in unserer neuen Heimat weilen, wenn euch diese Botschaft
erreicht.
Viele glückliche Jahre haben wir miteinander verbringen dürfen. Wir sahen
unsere Kinder aufwachsen und unsere Reiche erblühen. Der Handel brachte
Wachstum und Reichtum für unsere Städte. Unsere Politik war gekennzeichnet
von Toleranz anderen Kulturen gegenüber, von gegenseitiger Achtung und von
einem unbändigen Friedenswillen. Einige Halb- und Viertelgötter brachten
dann doch den Krieg in unsere Reiche.
Wir haben diese Prüfung auf Grund der hervorragenden Zusammenarbeit mit
anderen Reichen und der Geschlossenheit des Ordens erfolgreich bestanden.
Hütet euch also vor den Halbgöttern, nehmt nicht alles hin was sie für euch
bestimmt haben. Ihr allein herrscht über eure Gebiete und habet die Macht
den Halbgöttern zu trotzen.
Schließet euch gegen die Orks zusammen, helft einander und trachtet nicht
nach unschuldigem Leben. Seid wachsam gegenüber Tyrannen, vereint euch und
schlagt sie, wo ihr ihrer habhaft werden könnt. Schließt Bündnisse mit den
mächtigeren Reichen und Gemeinschaften, die nach ehrenwerten Grundsätzen
handeln. Gebt der dunklen Seite keine Chance.
Bringt Tamar in seinen unsicheren Zeiten die Hoffnung und das Licht
wieder...
Freiherrin Veridian und Hochmeister Guother "
Mit diesen Worten möchte ich diesen Chronikeintrag in der Hoffnung auf
weiterhin ruhige Zeiten schließen.
Tamar, im Jahre 320