Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Im letzten Chronikeintrag berichtete ich vom Tode Lord Gunthrers. Sein
Verwalter Hargener suchte in den vergangenen Jahren nach einem Erben, der
das Land Gunthrers weiterführen sollte. Dieser Erbe, durch ein spezielles
Muttermal gekennzeichnet, konnte dann anscheinend im Reiche des Lord
BlackAdder gefunden werden. Gerade, als man die Entdeckung des
vermeintlichen Erbes vermelden wollte, verwüstete jedoch ein Drache die
einzige Stadt in Gunthrers Reich und so gab es nichts mehr zu erben.
Hargener hat sich danach als Berater von Lord Corwin verdingt. Corwin
ist der Führer der Überlebenden aus Gunthrers Reich. Diese kleine Gruppe
hatte es bis nach Ithilien verschlagen, wo sie nun ein neues Reich aufbauen
wollen.
Unglücklicherweise verfaßte Hargener, wahrscheinlich noch unter dem
Eindruck der Geschehnisse in Gunthrers Reich, gleich zu Beginn von Lord
Corwins Herrschaft einige heftige Briefe an andere Lords. Diese brachten
dessen Herrschaft in arge Bedrängnis, so daß Hargener schließlich
nahegelegt wurde, sich aus seinem Amt zurückzuziehen.
Leider scheinen ihm die vergangenen Jahre mit all den Schicksalsschlägen
schwer zugesetzt zu haben, denn er gab sich oftmals dem Genuß des
Sumpfkrautes hin und verfiel mehr und mehr der Trunksucht. Inzwischen hat
er sich aber wieder gefangen, und er sitzt nun häufiger auf seinem
Plätzchen in der Taverne und beobachtet von da aus das Geschehen in der
weiten Welt.
Nachdem es in den letzten Jahren nur wenige Kämpfe gab und es allgemein ein
wenig ruhiger geworden ist in den Reichen, macht eine alte Plage wieder von
sich reden. Ich meine damit das leidige Piratenproblem, daß schon vormals
für viel Aufregung und böses Blut sorgte. Immer wieder werden Kauffahrer
überfallen, deren Schiffe voll mit feinsten Waren oder dem aus dem verkauf
gewonnenen Gold sind.
Leider ist es nahezu unmöglich, den Herren zu finden, in dessen Auftrag die
Piraten handeln, und so beschuldigt jeder jeden. Dabei kommt erschwerend
hinzu, daß es sich ja wahrscheinlich nicht nur um einen einzigen
Auftraggeber handelt, sondern daß wohl so mancher Lord seine Kasse durch
den ein oder anderen Raubzug auffüllen will. Gelegentlich versuchen zwar
einige Lords, sich zusammenzuschließen um dem Piratenpack den Garaus zu
machen und einen Schuldigen zu ermitteln, aber diese Versuche scheitern
fast zwangsläufig.
Nachdem nun König Skar in seinem Reich zum Kaiser ausgerufen wurde, gab es
einige Aufregung unter den anderen Herrschern. Einige sahen schon fast das
Ende der Welt gekommen, andere glaubten, es sei endlich wieder die gute
alte Zeit des Friedens und Wohlstandes angebrochen.
Bisher scheint mir aber nur eines sicher zu sein. Die guten Wünsche, daß
mit dem Ausrufen eines neuen Kaisers die Reiche geeint würden und es nach
dem nun schon so lange zurückliegenden Tod von König Abanor endlich wieder
ein friedvolles Tamar gäbe, sind nicht in Erfüllung gegangen. Noch immer
herrschen Neid, Krieg und Zwietracht. Wie ehedem wird sowohl auf dem
Schlachtfeld als auch auf dem Papier erbittert um die Vorherrschaft in
Tamar gekämpft und es hat sich nichts geändert.
Es scheint mir fraglich, ob es jemals wieder einen einzigen Herrscher geben
wird, der die Größe, die Macht und den Einfluß eines König Abanor erreichen
und die Völker Tamars zu einem friedvollen Nebeneinander bewegen kann.
Heutzutage reicht es aus, eine große Zahl von Vasallen sein Eigen zu
nennen, und schon kann man sich zum Kaiser ernennen lassen. Aber die Menge
der Untertanen sagt eben nichts über die wahre Größe eines Herrschers.
Tamar, im Jahre 305