Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Beginnen möchte ich diesen Chronikeintrag mit einem Ereignis, welches
zeigt, daß auf Tamar nicht jede Ungerechtigkeit geduldet wird. Ich
berichtete ja schon im letzten Eintrag von Lord Wallenstein, welcher
sich durch Angriffe auf kleine wehrlose Reiche einen unrühmlichen Namen
gemacht hatte. Schon kurz nach meinem damaligen Bericht hatte er das Reich
von Lord Nestor überfallen und besetzt. Daraufhin erklärten ihm auch die
Herren Charras und Salmuth den Krieg. Gemeinsam gelang es ihnen, Lord
Wallenstein zu besiegen und seine Ländereien zur Übergabe an aufstrebende
Reiche zu sichern. So gibt es in den zuweilen recht dunklen Zeiten auf
Tamar doch noch Lichtblicke, in denen sich aufrechte Herren zusammentun, um
einen Tyrannen in die Schranken zu verweisen.
Um den Kriegsherd rund um die Ländereien des Lord BlackAdder ist es
glücklicherweise in den letzten Jahren wesentlich ruhiger geworden. Mir ist
zu Ohren gekommen, daß Lord BlackAdder mit den meisten seiner Gegner
Frieden geschlossen hat. Außerdem hat er damit begonnen, einigen seiner
Nachbarn, denen der Krieg die Weiterentwicklung erschwert hatte, Land und
Städte zu übergeben. Sowohl mit dem Guridh-Orden als auch mit Baron
Godefroy hat er nun Frieden, was nur zu begrüßen ist, denn dieser Krieg hat
schon tausende unnötige Opfer gefordert.
Leider mußte ich erfahren, daß Lord Gunthrer, einer von BlackAdders
Nachbarn und einer seine ersten Gegner, durch einen Pfeilschuß zu Tode
gekommen ist. Diese Nachricht betrübt mich umso mehr, als ich mit ebenjenem
Herren einige angeregte Gespräche in der Taverne führen konnte.
Lady Medusa, welche sich vormals auch unter den Gegnern von Lord BlackAdder
befand, hat sich diesem ergeben und sich seiner Gnade unterworfen. Die Lady
hat allerdings eine sehr scharfe Zunge und brachte sich in der
Vergangenheit schon mehrfach in Schwierigkeiten, indem sie nach allen
Seiten verbale Attacken führte.
Mit ihren Versuchen, ihr Fähnchen stets nach dem rechten Wind zu hängen,
wird sie sich wohl früher oder später noch in ernsthafte Schwierigkeiten
bringen, denn einige Lords sind auf solch zänkische Attacken nicht gut zu
sprechen. Wie schnell ein solcher Mangel an diplomatischem Feingefühl einem
Herrscher zum Verhängnis werden kann, hat vor einigen Jahren eindringlich
das unglückliche Schicksal des Lord Torkan gezeigt.
Ich hatte das Vergnügen, vor einiger Zeit in Lipsiana zu weilen, einer
Stadt im Reiche von Lord Lipsius. Dieser hatte es sich zur Aufgabe gemacht,
daß große Turnier, welches weiland Lord Drake abhalten wollte, zu einem
erfolgreichen Ende zu bringen. Drake war ja während des Turnieres unter nie
geklärten Umständen zu Tode gekommen und deshalb konnte der Wettstreit
nicht beendet werden.
Nachdem einige Probleme bezüglich des Preisgeldes, welches in Verwahrung
von Bruder Justus lag, und der Durchführung der noch ausstehenden
Wettkämpfe ausgeräumt waren, stand einem endgültigen Abschluß der
Wettspiele in Lipsiana nichts mehr im Wege.
Ich wohnte eine Zeitlang dem Wettkampf im Tjossen bei, welcher in der
Lipsiana-Arena durchgeführt wurde und nach dem Schwertkampf die letzte
noch auszufechtende Disziplin war. Die Drakeschen Wettspiele, wie sie in
Erinnerung an den ursprünglichen Ausrichter weiterhin genannt wurden,
fanden mit einem großen Fest ihren würdigen Ausklang, der so lange auf sich
warten ließ, daß es eine Zeitlang so schien, als würden diese Wettkämpfe
nie ordentlich beendet werden.
Kurz nach Ende des großen Turnieres wurde dann in der Halle der Aushänge
auch eine Liste mit den Siegern und Platzierten aller Wettkämpfe, sowie den
auszuzahlenden Preisgeldern veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, daß sich
bald wieder ein Lord dazu aufrafft, solche Wettspiele abzuhalten, sind
diese doch stets eine willkommene Kurzweil für Jung und Alt.
Seit einiger Zeit höre ich immer wieder von einem kleinen Reich auf
der Insel Exevor, welches von Lady Elenora Dannen verwaltet wird. Diese
Lady hat sich eine wirklich interessante Aufgabe gestellt.
Trotz der Tatsache, daß sie noch keine Flotte unterhält und sich ihre
Handelsbeziehungen daher auf relativ wenige Reiche beschränken, hat sie
begonnen, ein Netz an Händlern zu schaffen, welches speziell dem Handel mit
den verschiedenen Luxusgütern dienen soll. Dazu hat sie sich der Hilfe
einiger seefahrender Lords versichert, welche ihr als Zwischenhändler zur
Seite stehen.
Vor allem soll wohl versucht werden, der beträchtlichen Zahl kleiner Länder
zu helfen, die sich auf die Produktion eines bestimmten Luxusgutes
spezialisiert haben. Sie sollen mit diesem Handelssystem faire Preise für
ihre Waren erhalten und gleichzeitig sichere Absatzmöglichkeiten bekommen.
Diese Initiative ist meiner Meinung nach wirklich löblich, zeigt sie doch,
daß nicht nur große Mächte auf Tamar den Handel bestimmen müssen. Es
braucht zuweilen eben nur etwas Ideenreichtum und Durchsetzungswillen, um
etwas zu bewegen und das ganz und gar ohne Zank, Streit und Krieg.
Tamar, im Jahre 300