Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
In dieser Ausgabe der Chronik möchte ich mich, wie ich versprochen hatte,
den verschiedenen Glaubensrichtungen und Religionen der einzelnen Länder
widmen.
Zuallererst aber einige Worte zum aktuellen Geschehen in den Weiten Tamars.
Die letzten Jahre verliefen größtenteils ruhig und friedlich. Lediglich
Lord Torkan hat einmal mehr mit einigen Streitigkeiten, in die er
verwickelt war, von sich reden gemacht. Zuerst gab es Unstimmigkeiten mit
Graf Lucksi, welcher eine Armee zum Kampftraining in sein Land entsandt
hatte. Diese Armee hatte angeblich die Grenzen des angedachten
Übungsprogrammes überschritten, als sie eine Stadt Torkans Angriff. Nun ist
zwar der Tod unschuldiger Bürger in Torkans Stadt sehr bedauerlich und
sicher wäre das vermeidbar gewesen, andererseits hat dieser Angriff ihm
gezeigt, daß er im Falle eines ernsthaften Konfliktes wohl nur wenige
Überlebenschancen hätte. Kurz darauf wurde Lord Torkan von Baron Balthasar
beschuldigt, zwei von dessen Schiffen versenkt zu haben. Baron Balthasar
war sehr ungehalten und drohte schreckliche Vergeltung an. Mittlererweile
stehen die Wetten auf ein langes Leben Lord Torkans eher schlecht, hat er
sich doch in den wenigen Jahren seiner Regentschaft den Unmut so vieler
Lords zugezogen, wie kaum ein Anderer vor ihm. Ob er nun letztendlich
allein Schuld ist an dieser Entwicklung oder auch nicht, so scheint das
gewaltsame Ende seiner Regentschaft nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Zu etwas Erfreulicherem. Ich war vor einiger Zeit als Gast auf einer
Hochzeit geladen. Baron Guother und Freiherrin Veridian schlossen feierlich
den Bund fürs Leben. Die Trauung in der Kapelle von Tintajol war wirklich
wundervoll und manch gestandener Lord konnte sich eine Träne der Rührung
nicht verkneifen. Altkaplan Traugott, seines Zeichens Ziehvater des
Bräutigams, hielt eine wirklich ergreifende Zeremonie ab, während derer das
Brautpaar auch die herrlichen Ringe tauschte, welche ihm vom ehrenwerten
Skar zum Geschenk gemacht worden waren.
Daran anschließend gab es ein großes Festmahl mit vielen Gästen aus aller
Herren Länder. Speis und Trank waren reichlich aufgetischt, während Gaukler
und Musikanten für die Unterhaltung der Gäste sorgten.
Ich hatte die Feier früher verlassen, aber Baron Guother berichtete mir
später von einem kleinen Zwischenfall zu fortgeschrittener Stunde. Es wurde
noch ein kleiner Wettstreit im Bogenschießen abgehalten. Dabei hatte Lord
Laurentius, der ja auch in der Taverne gelegentlich durch das Vertilgen
abnorm großer Essensmengen auffällt, seine ob des reichlichen Essens
beachtliche Leibesfülle nicht mehr ganz im Griff und platzierte dadurch
einen Fehlschuß, welcher Baron Guother nur knapp verfehlte. Zum Glück hatte
der Schuß aber keinen Schaden angerichtet und so konnte das Fest in bester
Laune zuende gebracht werden.
Kurz darauf schenkte Freiherrin Veridian einem gesunden Jungen das Leben.
Der zukünftige Stammhalter wurde Tankred genannt und scheint sich prächtig
zu entwickeln. Zur Geburt wurde eigens Kaplan Traugott aus seinem wohl
verdienten Ruhestand zurückgeholt, den er nach dem Vollzug der Trauung von
Guother und Veridian eigentlich antreten wollte.
Der gute Traugott hat schon ein gesegnetes Alter erreicht und er hatte sich
das Land von Lord Skröggur mit seinem milden Klima für seinen Lebensabend
ausgesucht. Lady Veridian bestand aber darauf, daß ihr Traugott bei der
Entbindung beistehen sollte und so wurden eiligst Botschaften ausgetauscht
und schließlich traf er noch rechtzeitig ein. Nun aber genießt er wohl die
Gastfreundschaft von Lord Skröggur und verlebt hoffentlich noch einige
ruhige Jahre in dessen Land.
An dieser Stelle will ich nun auf die verschiedenen Glaubensrichtungen
Tamars eingehen. Ich werde nicht auf jedes Detail der einzelnen Religionen
eingehen, da der geneigte Leser dazu umfangreiche Schriften in der Halle
der allgemeinen Aushänge finden kann.
Die meisten Reiche haben einen relativ einheitlichen Glauben, der auf der
Verehrung einer Vielzahl von Göttern beruht. Diese unterteilen sich in
Götter des Lebens, Götter des Wachstums und Elemantargötter.
Diese drei Hauptgruppen unterteilen sich dann in Untergruppen, wie etwas
die Elementargötter sich in Gottheiten des Wassers, des Feuers, der Luft
und der Erde. Jede dieser Untergruppen nimmt in sich dann meist mehrere
Götter auf, die namentlich benannt werden.
Neben diesem allgemeinen Glauben haben sich aber noch einige spezielle
Religionen gebildet. Die bekannteste dürfte wohl der Kathekysmus sein,
welchen ich auch hier in der Chronik schon erwähnte. Der Kathekysmus-Glaube
wurde vor vielen Jahren von Father McKenzie, dessen Name älteren Lords
sicher noch ein Begriff sein wird, ins Leben gerufen. Im Laufe der Zeit
schlossen sich mehrere Reiche diesem Glauben an.
Der Kathekysmus predigt vom Allvater, der die Pflanzen, Tiere und Menschen
auf Tamar erschuf. Dabei spielte ein Hase eine große Rolle und außerdem
kleine Steineier, die selbiger auf der Erde verteilte und aus denen sich
das gesamte Leben Tamars entwickelt haben soll. Die wichtigsten Dinge, den
Kathekysmus betreffend, sind in einer Schriftrolle niedergeschrieben, deren
Übersetzung nach meinem Kenntnisstand noch immer nicht vollständig
abgeschlossen ist.
Die vielen Anhänger dieser Religion haben in der Vergangenheit schon
mehrere Klöster errichtet und sind ständig bestrebt, ihren Glauben weiter
zu verbreiten und den Menschen näher zu bringen.
Als nächstes soll hier der Orden des heiligen Willibaldus erwähnt werden.
Es handelt sich hierbei zwar nur um eine kleine klösterliche
Glaubensgemeinschaft, welche sich aber durch eine Besonderheit von den
meisten anderen Religionen abhebt, und zwar werden in diesem Orden
körperliche und geistige Genüsse nicht nur toleriert, sondern ausdrücklich
gefördert. Die Klosterbewohner stellen Kräutermittel, Tränke und häusliche
Ratgeber her und verkaufen diese zum Unterhalt ihres Klosters. Diese Dinge
erfreuen sich eines sehr guten Rufes und gelten unter Kennern als wahrer
Geheimtip.
Hier soll auch der Orden der Angotisten genannt sein, wenngleich er nur
kurze Zeit in Erscheinung trat. Dieser Orden wurde von Lord Landon ins
Leben gerufen, welcher seinerzeit von einem Propheten berichtete, der eine
neue Religion predigte. Leider ist mir über diesen Orden nichts näheres
bekannt und er scheint mit dem Ableben Lord Landons auch ausgestorben zu
sein.
Nun noch einige Worte zum Orden der heiligen Guridh. Dieser Orden zeichnet
sich durch ein straffes Reglement aus, welches ich durch Fürsprache des
Ordensgroßmeisters Guother persönlich einsehen durfte. Aufgaben und Ziele
des Ordens sind in dieser sogenannten Ordensregel exakt festgelegt. Der
Guridh-Orden verehrt als Schutzpatronin die Heilige Guridh und besitzt
inzwischen eine stattliche Anhängerschaft.
Zu guter Letzt sei hier noch eine weitere Glaubensrichtung erwähnt, welche
im Lande von Lord Skröggur gepflegt wird. Dort glaubt man an eine
Göttlichkeit, welche sich in zweierlei Gestalt offenbart und zwar zum einen
als Jäger und zum anderen als Mutter. Diese beiden werden einerseits als
gegensätzlich, dabei aber doch Teil eines größeren Ganzen und sich
gegenseitig ergänzend, beschrieben.
Diese Vorstellung erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll
lediglich aufzeigen, daß es in den vielen Ländern Tamars eine Vielzahl von
Glaubensrichtungen gibt, die bisher weitestgehend harmonisch nebeneinander
her existieren und sich gegenseitig respektieren.
Wenn sich der Leser dieser Zeilen eingehender informieren möchte, sei an
dieser Stelle nochmals auf die Halle der Aushänge verwiesen, in der sich im
Laufe der Jahre recht zahlreiches Material zu dem einzelnen Religionen
angesammelt hat.
Tamar, im Jahre 280