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Die Chronik von Tales of Tamar

Jahr 265

Seid gegruesst, edle Damen und Herren!

Nun ist schon einige Zeit ins Land gegangen, seit mein vormaliger Dienstherr, Baron Alberich, mit unbekanntem Ziel die Küsten Tamars für immer verlassen hat. Leider ist nun auch Baron Fox von uns gegangen, mit dessen Reich wir stets in guter Nachbarschaft lebten. Die Gründe für sein Dahinscheiden sind etwas unklar, aber man munkelt von Freitod. Leider sind damit auch die Pläne zu den dritten Tamarschen Wettspielen gescheitert. Hoffentlich findest sich ein Herr, der diese Wettspiele wieder ins Leben zurückrufen kann.

Derzeit herrscht auf Tamar in weiten Gebieten Frieden, der lediglich durch das zuweilen unerträgliche Gekläff von Herrn Drake gestört wird. Dieser Lord, auf der Insel Exevor beheimatet, hat sich mittlererweile zu einer echten Plage entwickelt. Unter dem Schutz seines obersten Lehnsherren, Vicomte Lucksi, und mit dem Wissen um dessen Stärke attackiert er ständig seine Nachbarn mit verbalen Ausbrüchen der übelsten Art. Dabei spielt er sich quasi zum Herren von Exevor auf und bezeichnet sich als Verwalter in Lucksis Auftrag. Sein eigentlicher Lehnsherr, der von uns stets als ehrenvoll empfundene Baron Gallahad, hüllt sich leider nur allzuoft in Schweigen und läßt seinem Untergebenen offenbar freie Hand.

Zu allem Unglück ist Lord Drake aus dem lange tobenden Konflikt mit Baron Godefroy, welcher ihm aufgrund seiner ständigen Anfeindungen den Krieg erklärt hatte, als Sieger hervorgegangen. Natürlich gelang ihm dieses nur durch die äußerst tatkräftige Mithilfe seines obersten Lehnsherren, der irgendwie immer dort zu finden ist, wo es gerade Streit gibt.

Baron Godefroy ist mir im Übrigen sehr sympathisch, denn er schreibt in der Halle der allgemeinen Aushänge immer ganz herzerfrischende Kommentare zu den Verbalattacken des Lord Drake.

Vicomte Lucksi hatte nach der Verkündung von Alberichs Fortgehen auch nichts Eiligeres zu tun, als dessen Vasallen Ansgar zu überfallen und diesem seine Hauptstadt zu entreißen.

Ansgar war gegen die Übermacht natürlich völlig machtlos und lebt nun auf dem ihm von Alberich zugesprochenen Land auf Elerion. Noch niederträchtiger erscheint Lucksis Attacke gegen ihn, wenn man weiß, das jener noch vor kurzem im Zuge eines anderen Konfliktes, in den er verwickelt war, den Schutz von Vasallen forderte, wenn diese sich in einen Krieg ihres Lehnsherren nicht einmischten. Die leichte Beute von Lord Ansgars Stadt muß Lucksi wohl zu sehr gereizt haben, noch dazu, wo er selbst gegen die verbliebenen Truppen von Alberich nicht besonders gut aussah. Diese Männer sollten Alberichs Städte bis zur endgültigen Auflösung des Reiches und der Verschiffung der letzten Lagerbestände schützen.

Lucksi versuchte zwar mehrfach, Städte einzunehmen, aber dies gelang ihm nach dem anfänglichen Gewinn der Stadt Süderhafen nicht mehr. Jedenfalls hielten die letzten Verteidiger bis zum Ende der Aufzeichungen über Alberichs einstiges Land stand. Die Angriffe boten auch keinen Vergleich mehr zu einstigen militärischen Meisterleistungen von Lucksis Armeeführern. Anscheinend ist ein verurteilter Schwarzmagier, noch dazu des Großteiles seiner Kräfte beraubt, kein so guter Heerführer, wie der Vicomte wohl zu wissen glaubte.

Baron Jinx ist ebenfalls von seinem Volk abgesetzt worden, dieses aber ganz und gar unfreiwillig, denn ein unfähiger Verwalter trieb sein Land während seiner Abwesenheit in den Ruin. Gerade erst war sein Reich zur Ruhe gekommen, nachdem es lange Zeit im Krieg mit Lord ONeill lag. Dieser wurde auf dem Regentenstuhl von seinem Sohn, ONeill II., abgelöst und ebenjener schloß mit Baron Jinx Frieden.

ONeill II. konnte ich auch schon in der Taverne als Gast begrüßen. Er benahm sich auf alle Fälle wesentlich gesitteter als sein verblichener Vater und daher kam ich auch gerne seiner Bitte nach, dessen Bildnis von der Wand neben der Tavernentür zu entfernen, daß dort noch von Alberich angebracht worden war, weil Lord ONeill ihn öffentlich in der Taverne beleidigt hatte.

Ich konnte mir jedoch ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen, als ONeill II. das erste Mal etwas zu Trinken bestellte, denn er verlangte tatsächlich nach einem Becher Milch. Das stellte mich im ersten Moment vor ein Problem, denn im Allgemeinen werden in der Taverne Getränke konsumiert, die sich durch einen mehr oder minder hohen Anteil an Alkohol auszeichnen. Da aber der Gast stets recht hat, habe ich inzwischen einen Vertrag mit einem Bauern aus der Nachbarschaft und seitdem ist stets auch frische Milch vorrätig. Außerdem liefert besagter Bauer auch hervorragenden Käse, der gerne von den Gästen verspeist wird.

An der von mir schon beschriebenen Wand neben der Tavernentür werden von mir auch in Zukunft die Bilder von Personen ausgehängt, die sich in der Taverne nicht angemessen benehmen oder anderweitig schwere Schuld auf sich geladen haben. Im Moment hängt dort nur ein Abbild von Vicomte Lucksi. Das aber wird dort hängen bleiben solange ich lebe. Dieser Mann hat einfach zuviel Unheil über meinen unvergessenen Dienstherren gebracht, als daß ich ihm jemals verzeihen könnte. Leider kann ich von Lord Drake, der sich auch schon mehrfach abfällig über meinen vormaligen Dienstherren geäußert und damit sein Andenken beschmutzt hat, kein Bild aufhängen. Der Herr ließ sich bisher noch nie in der Taverne sehen und es gibt daher auch keine Zeichnung von ihm.

Sicher fragt sich nun der geneigte Leser, warum ich nicht einfach solchen unerwünschten Personen den Zugang zur Taverne verweigere. Dafür gibt es aber eine einfache Erklärung. Die Zentraltaverne dient von jeher als Treffpunkt für alle Herrscher auf Tamar und die Götter haben verfügt, daß jedermann freien Eintritt hat, also darf ich niemandem den Zutritt verwehren. So bleiben mir nur die Aushänge als Zeichen meines Unmutes gegen gewisse Herrschaften.

Seit langem schon gibt es auf Tamar große und kleine Reiche. Während in den kleineren Ländereien die Einwohner fast alle nur einfache Handwerker oder Bauern sind, gibt es in den Großstädten der weiter entwickelten Reiche viele Leute, die es sich leisten können, ihre Zeit im Müßiggang zu verbringen.

Dieser Oberschicht steht der Sinn viel mehr nach Zerstreuung und einem Leben in Luxus, denn nach ehrlicher Arbeit. Dazu gehört für sie auch, sich mit Dingen zu umgeben, die einfache Menschen als sehr luxuriös oder einfach nur unnütz empfinden. Dazu gehören edle Stoffe wie Seide und Brokat, aber auch Gewürze, Elfenbein, Schmuck und dergleichen mehr.

In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach solchen Waren immer größer geworden. Die großen Reiche sind jedoch nicht in der Lage, die Nachfrage der eigenen Bevölkerung nach solchen Gütern zu befriedigen. Hier kommen nun die kleinen Reiche ins Spiel, in denen kaum Bedarf für solche Luxuswaren besteht. Zwar sind diese kleinen Länder nicht in der Lage, alle diese Edelgüter herzustellen, denn das würde ihre Möglichkeiten doch übersteigen. Allerdings auch dann, wenn sie sich nur auf eine Ware spezialisieren, werden sie in der Lage sein, mit dieser Produktion gutes Gold zu verdienen und sich damit auch ihren Platz in der Welt zu sichern.

Die weiteren Geschehnisse auf Tamar werde ich aus der sicheren Obhut der mir anvertrauten Taverne betrachten und für die geneigte Leserschaft zu Papier bringen, auch wenn die Informationen aus anderen Reichen und von fernen Gestaden nicht mehr ganz so reichlich eintreffen als zu meiner Zeit als Hofschreiber.

Tamar, im Jahre 265

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