Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Kaum von meinem Besuch in der Bibliothek des Lord Garibaldi zurückgekehrt,
wartete schon die nächste Reise auf mich.
Wieder einmal erlaubte mir mein Dienstherr die Teilnahme an einem
besonderen Fest. Ich sollte als sein Vertreter dem Baron Nevin Weinheimer
Grüße zu seiner Ernennung zum Baron und zur übernahme seines Lehens nebst
Burg überbringen. Nach einer längeren Anreise, deren letzter Teil über
einen verschlungenen Waldweg führte, sah ich die Burg. Ein wirklich schöner
und eindrucksvoller Bau, wunderschön am Seitenhang eines kleinen Tales
gelegen und umgeben von lichten Wäldern.
Nach und nach trafen immer mehr Gäste ein, darunter auch einige mir schon
bekannte Gesichter, die ich von meiner Reise an Eltarons Hof kannte. Am
Abend dann wurde dem Baron offiziell vom Sohn seines Lehnsherren der
Lehnsbrief übergeben und jedermann freute sich auf ein schönes Fest. Leider
haben fast alle meine Reisen einen entscheidenden Nachteil, sie bringen
sehr oft unangenehme überraschungen mit sich.
Dabei fing diesmal wieder alles ganz harmlos an. Der neu ernannte Baron
hatte nämlich einige Bauarbeiten an seiner Burg in Auftrag gegeben. Dabei
war im Keller eine Schatulle aufgefunden worden. Diese hatte der Baron
geöffnet und einen flüchtigen Blick auf einige Schriftrollen erhaschen
können. Dann war die Kiste zugeschlagen und ließ sich seither nicht mehr
öffnen. Zum Glück befand sich unter den Gästen auch ein junger Mann, der
sich mit kniffligen Schlössern auskannte. Was ihm an Körpergröße und Kraft
zu fehlen schien, machte er mit großer Geschicklichkeit mehr als wett und
so gelang es ihm, das Schloß nach einiger Zeit zu öffnen. Keiner der
anwesenden traute sich recht, den Deckel der Kiste zu heben, bis sich ein
anwesender Kämpfer kurzerhand der Schachtel näherte und den Deckel
aufklappte.
Plötzlich erfüllte ein Windstoß den Raum und der Krieger, der die Schachtel
geöffnet hatte, wurde von einer heftigen Vision buchstäblich zu Boden
geschleudert.
Die Vision hatte ihm einen alten knorrigen Baum und einen Totenschädel
gezeigt, wobei ich mir da nicht ganz sicher bin, denn der Mann war zwar ein
wahrer Riese an Wuchs und, wie ich später noch sehen konnte, ein starker
Kämpfer, aber er war wahrhafig kein Freund vieler Worte.
Der Baum wurde kurze Zeit später ausfindig gemacht, da er sich in
unmittelbarer Nähe der Burg befand. Als sich einige Männer dem Baum
näherten, erschien plötzlich aus dem Nichts eine unheimlich anzusehende
Gestalt. Statt des Kopfes hatte sie einen Totenschädel, der Körper in
schwarze Gewänder gehüllt und sie führte ein wirklich gefährlich
aussehendes Schwert.
Das Wesen, nach Meinung der Umstehenden ein Untoter, schien irgendetwas zu
bewachen, denn es entfernte sich nie weit von dem Baum. Auch schien es
eine unsichtbare Grenze zu geben, die dafür sorgte, daß es immer dann
erschien, wenn man dem Baum zu nahe kam.
Lange wurde gerätselt, was es mit dem Untoten auf sich habe. Einige
Magiekundige konnten schnell feststellen, daß die Kiste und der Untote in
irgendeinem Zusammenhang standen. Nach einigen vergeblichen Versuchen, mit
der Gestalt zu reden oder ihn zu besiegen, bereiteten die Magier einen
magischen Ring vor, in dem der Untote schließlich gefangen wurde. Dann
konnte er endlich vernichtet werden. Alles, was von ihm übrig blieb, war
eine Rauchwolke und eine steinerne Scheibe, die mit verschiedenen Zeichen
bedeckt war.
Unterdessen war in der Burg ein seltsames Podest erschienen, auf dem sich
einige der Zeichen der Steinscheibe wiederfanden. Die Magier waren sich
sicher, daß es noch mehr der Scheiben geben müsse, denn sie hatten
angeblich magische Linien gefunden, die von der Burg in die Wälder führen
sollten. Ich verstehe nichts von diesen magischen Dingen und doch schienen
sie Recht zu behalten, denn als eine Gruppe von Kriegern und Magiekundigen
einer dieser imaginären Linien folgten, stießen sie auf einen weiteren
Untoten, der dem ersten zum verwechseln ähnlich sah und ebenfalls etwas zu
bewachen schien.
Diesmal entschieden sich die Krieger für den kurzen Weg und griffen den
Untoten unverzüglich an. Allerdings war er nur durch magisch behandelte
Waffen zu verletzen und so wurde es doch noch ein harter Kampf. Schließ=
lich
verschwand aber auch diese Gestalt in einer stinkenden Rauchwolke und
zurück blieb eine weitere Steinscheibe.
Das Ganze wiederholte sich noch ein drittes Mal und endlich waren drei
Steinscheiben beieinander. Diese wurden dann auf dem Podest befestigt. Dann
erschien unmittelbar vor dem Podest ein seltsam aussehendes Geistwesen.
Dieses unterschied sich von den Untoten, denn es hatte einen normalen Kopf,
soweit man das unter der über dem Gesicht hängenden Kapuze erahnen konnte
und es war außerdem in weiße Gewänder gekleidet. Leider war auch dieses
Wesen nicht ohne weiteres zu besiegen und außerdem konnte es von Zeit zu
Zeit einen Untoten herbeirufen, der verblüffende ähnlichkeit mit den schon
besiegten Exemplaren hatte. Aber unter Einsatz von mehreren Magiern konnte
es schließlich doch bezwungen werden und zurück blieb eine kleine Schatulle
mit einem wunderschönene Amulett darin.
Ich habe bis heute nicht restlos verstanden, was diese ganzen Ereignisse zu
bedeuten hatten. Nur soviel konnte ich herausfinden. Früher wurde die Burg
von einem Großmagier bewohnt, welcher dort, aus welchen Gründen auch immer,
hingerichtet wurde. Vieles aus dieser alten Zeit geriet in Vergessenheit,
als sich verschiedene Herrscherhäuser bekriegten und dabei auch viele alte
Aufzeichungen verloren gingen. Vielleicht war nun der Geist dieses
Großmagiers in der aufgefundenen Kiste verborgen, vielleicht rief auch nur
die öffnung der Kiste diesen herbei. Jedenfalls waren die Untoten und
Geistwesen anscheinend nur zu dem Zwecke geschaffen, das Amulett zu
schützen. Dieses hatte nach Aussage einiger, in die Geheimnisse der
Magie eingewiesenen Gäste, eine gewisse weißmagische Kraft in sich.
Die von mir hier geschilderten Ereignisse zogen sich über zwei Tage hin,
und in der Zwischenzeit erlebte ich noch einige andere Dinge.
Zum einen wurde man auf der Burg eines gesuchten Verbrechers habhaft. Ich
berichtete vor längerer Zeit in diesen Chroniken von einem Umsturz, der das
Reich von Vicomte Lucksi erschütterte. Dabei hatte der damalige Heerführer,
ein Mann namens Thargo, die Macht an sich gerissen. Er warf Lucksi I. in
den Kerker, wo dieser auch verstarb. Dann griff er zusammen mit anderen
Umstürzlern das Reich von Brightblade II. an und vernichtete dieses
vollständig. Kurze Zeit später wurde er in einem erneuten Umsturz vom Sohn
des verblichenen Herrschers, Lucksi II., gleichfalls gestürzt. Er sollte
eigentlich getötet werden, aber der Versuch mißlang und er verlor
anscheinend nur den Großteil seiner magischen Fähigkeiten. Leider gelang
ihm in der Folge die Flucht und sein Verbleib war ungewiß.
Bei seinem Umsturz und auch später hatte sich Thargo der schwarzen Magie
bedient. Ein Verbrechen, daß in nahezu der gesamten bekannten Welt schwer
bestraft wird. Lucksi II. verschickte auch sofort eine Warnung vor Thargo,
in der er unter anderem dazu aufforderte, diesen bei Antreffen besser
sofort zu töten.
Thargo hatte sich unter die Gästeschar gemischt, aber er wurde erkannt und
dingfest gemacht. In einem Prozeß, in dem der neuernannte Baron Weinheimer
den Vorsitz führte, wurde er des Verbrechens der schwarzen Magie, des
Umsturzes und des Anzettelns eines Krieges für schuldig befunden. Während
dieses Prozesses wurden sogar meine Dienste benötigt. Ich sollte zur
Erhellung der Umstände, unter denen Thargo an die Macht kam, einige Stellen
aus den Chroniken zitieren, was eine wirkliche Ehre für mich war.
Die Strafe für den Schwarzmagier Thargo wurde angesichts der besonderen
Umstände nicht vom Baron als zuständigen Dienstherren verhängt, sondern
durch die Gäste per Abstimmung festgelegt. Sie lautete auf sofortige
Auslieferung an Lucksis Reich. Von den weiteren Vorgängen um Thargo wird
noch zu berichten sein.
Während des Festes sorgte auch noch ein Tournament der kampferprobten
Gäste für Kurzweil. Besonders ein Faustkampf zwischen dem schon eingangs
erwähnten Jungen mit den geschickten Händen und dem wortkargen Hühnen
sorgte angesichts des ungleichen Kräfteverhältnisses für einige
Erheiterung.
Die Waffengänge konnte schließlich der ehrenwerte Brin von Stolzenfels für
sich entscheiden, welcher sich als ein wahrer Meister im Schwertkampf
erwies.
Außerdem wurde noch ein besonderes Ereignis gefeiert, nämlich die Geburt
der "Reisenden von Tamar". Diese Gruppe von verschiedensten Personen hat
sich zusammengefunden, um zukünftig gemeinsam Abenteuer zu bestehen und
sich gegenseitig beizustehen. Ich bin stolz sagen zu können, daß auch ich
dieser Gruppe fortan angehören werde. Wenn ich doch auch kein großer
Kämpfer oder fähiger Heilkundiger bin und mit Magie nichts zu schaffen
habe, so habe ich doch einige Kenntnisse der Geschichte dieser Welt und man
sagt ja, daß die Feder gelegentlich mächtiger sein soll als das Schwert.
Die Feierlichkeiten auf Burg Weinheim fanden dann ein glückliches Ende bei
einem großen Festessen mit viel Gegrilltem, Met und Wein in Mengen und viel
Lachen und Scherzen. Besonderes Aufsehen erregte beim großen Festmahl ein
Fäßchen, welchem einige Gäste schon vorher zugesprochen hatten und dessen
Inhalt Gegenstand wildester Vermutungen war. Das Gebräu, welches den, nach
Aussage einiger Mutiger, die es tatsächlich versucht hatten, durchaus
treffenden Namen "vulpanischer Schädelknacker" trug, hatte es anscheinend
wirklich in sich. Ranoka Liegimfeld, der den heftigen Trank angesetzt
hatte, mußte sich mehrmals des Vorwurfs erwehren, seine Mischung sei eher
als Mittel zur schnellen Beseitigung feindlicher Truppen, denn als
Festgetränk zu gebrauchen.
Kaum, daß ich von dieser Reise zurückkehrte, gab es Neuigkeiten von Thargo.
Uns erreichte eine Nachricht aus Lucksis Reich, daß Thargo dort angekommen
wäre. Anstatt daß er nun aber seiner gerechten Strafe, die Lucksi ja selbst
für ihn gefordert hatte, zugeführt worden wäre, ernannte ihn Lucksi II. zum
neuen Heerführer seines Reiches.
Man kann sich vorstellen, daß das Entsetzen in allen Teilen Tamars großwar, als diese Nachricht bekannt wurde. Niemand konnte diesen Sinneswandel
verstehen. Es kann nur vermutet werden, daß Thargo doch nicht alle seine
magischen Fähigkeiten verloren hat und er diese benutzte, um sich selbst
nicht nur zu retten, sondern sogar wieder in sein altes Amt einzusetzen.
Diese unerwartete Entwicklung hat nun vermutlich auch Auswirkungen auf die
geplanten zweiten Tamarschen Wettspiele in Lucksis Reich. Schon mehrere
Herren erklärten, sie würden keinen Athleten dorthin entsenden und ich kann
sie angesichts der unklaren Lage durchaus verstehen. Auch ich würde mich
keinesfalls in ein Reich begeben, in dem ein überführter Schwarzmagier
Heerführer ist.
In den letzten Jahren kamen die wichtigsten Neuigkeiten für die Erzlande
aus den entfernten Gefilden von Elerion. Nachdem unsere neue Siedlung
einige Größe erreicht hat, können die dortigen Siedler nun auch selbst
Waffen und Rüstungen herstellen und Truppen ausrüsten. Mit diesen haben sie
die ersten eröffneten Minen gegen übergriffe von Orkhorden und Armeen von
Zwergen gesichert. Außerdem haben einige Truppen damit begonnen, daß noch
weiter östlich gelegene Gebirge nach weiteren Erzvorkommen abzusuchen.
Aufgrund der bisher entdeckten reichen Vorkommen an verschiedenen Erzen,
sowie des reichhaltigen Angebotes an Holz durch die westlich der neuen
Siedlung gelegenen Wälder, läuft die Warenproduktion in unserer neuesten
Kolonie ganz prächtig. Dadurch können wir nun noch schneller unsere
begehrten Waren nach Nonakesh und zu anderen Gegenden auf Elerion schicken.
Tamar, im Jahre 245