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Die Chronik von Tales of Tamar

Jahr 245

Seid gegruesst, edle Damen und Herren!

Kaum von meinem Besuch in der Bibliothek des Lord Garibaldi zurückgekehrt, wartete schon die nächste Reise auf mich.

Wieder einmal erlaubte mir mein Dienstherr die Teilnahme an einem besonderen Fest. Ich sollte als sein Vertreter dem Baron Nevin Weinheimer Grüße zu seiner Ernennung zum Baron und zur übernahme seines Lehens nebst Burg überbringen. Nach einer längeren Anreise, deren letzter Teil über einen verschlungenen Waldweg führte, sah ich die Burg. Ein wirklich schöner und eindrucksvoller Bau, wunderschön am Seitenhang eines kleinen Tales gelegen und umgeben von lichten Wäldern.

Nach und nach trafen immer mehr Gäste ein, darunter auch einige mir schon bekannte Gesichter, die ich von meiner Reise an Eltarons Hof kannte. Am Abend dann wurde dem Baron offiziell vom Sohn seines Lehnsherren der Lehnsbrief übergeben und jedermann freute sich auf ein schönes Fest. Leider haben fast alle meine Reisen einen entscheidenden Nachteil, sie bringen sehr oft unangenehme überraschungen mit sich.

Dabei fing diesmal wieder alles ganz harmlos an. Der neu ernannte Baron hatte nämlich einige Bauarbeiten an seiner Burg in Auftrag gegeben. Dabei war im Keller eine Schatulle aufgefunden worden. Diese hatte der Baron geöffnet und einen flüchtigen Blick auf einige Schriftrollen erhaschen können. Dann war die Kiste zugeschlagen und ließ sich seither nicht mehr öffnen. Zum Glück befand sich unter den Gästen auch ein junger Mann, der sich mit kniffligen Schlössern auskannte. Was ihm an Körpergröße und Kraft zu fehlen schien, machte er mit großer Geschicklichkeit mehr als wett und so gelang es ihm, das Schloß nach einiger Zeit zu öffnen. Keiner der anwesenden traute sich recht, den Deckel der Kiste zu heben, bis sich ein anwesender Kämpfer kurzerhand der Schachtel näherte und den Deckel aufklappte.

Plötzlich erfüllte ein Windstoß den Raum und der Krieger, der die Schachtel geöffnet hatte, wurde von einer heftigen Vision buchstäblich zu Boden geschleudert.

Die Vision hatte ihm einen alten knorrigen Baum und einen Totenschädel gezeigt, wobei ich mir da nicht ganz sicher bin, denn der Mann war zwar ein wahrer Riese an Wuchs und, wie ich später noch sehen konnte, ein starker Kämpfer, aber er war wahrhafig kein Freund vieler Worte. Der Baum wurde kurze Zeit später ausfindig gemacht, da er sich in unmittelbarer Nähe der Burg befand. Als sich einige Männer dem Baum näherten, erschien plötzlich aus dem Nichts eine unheimlich anzusehende Gestalt. Statt des Kopfes hatte sie einen Totenschädel, der Körper in schwarze Gewänder gehüllt und sie führte ein wirklich gefährlich aussehendes Schwert.

Das Wesen, nach Meinung der Umstehenden ein Untoter, schien irgendetwas zu bewachen, denn es entfernte sich nie weit von dem Baum. Auch schien es eine unsichtbare Grenze zu geben, die dafür sorgte, daß es immer dann erschien, wenn man dem Baum zu nahe kam.

Lange wurde gerätselt, was es mit dem Untoten auf sich habe. Einige Magiekundige konnten schnell feststellen, daß die Kiste und der Untote in irgendeinem Zusammenhang standen. Nach einigen vergeblichen Versuchen, mit der Gestalt zu reden oder ihn zu besiegen, bereiteten die Magier einen magischen Ring vor, in dem der Untote schließlich gefangen wurde. Dann konnte er endlich vernichtet werden. Alles, was von ihm übrig blieb, war eine Rauchwolke und eine steinerne Scheibe, die mit verschiedenen Zeichen bedeckt war.

Unterdessen war in der Burg ein seltsames Podest erschienen, auf dem sich einige der Zeichen der Steinscheibe wiederfanden. Die Magier waren sich sicher, daß es noch mehr der Scheiben geben müsse, denn sie hatten angeblich magische Linien gefunden, die von der Burg in die Wälder führen sollten. Ich verstehe nichts von diesen magischen Dingen und doch schienen sie Recht zu behalten, denn als eine Gruppe von Kriegern und Magiekundigen einer dieser imaginären Linien folgten, stießen sie auf einen weiteren Untoten, der dem ersten zum verwechseln ähnlich sah und ebenfalls etwas zu bewachen schien.

Diesmal entschieden sich die Krieger für den kurzen Weg und griffen den Untoten unverzüglich an. Allerdings war er nur durch magisch behandelte Waffen zu verletzen und so wurde es doch noch ein harter Kampf. Schließ= lich verschwand aber auch diese Gestalt in einer stinkenden Rauchwolke und zurück blieb eine weitere Steinscheibe.

Das Ganze wiederholte sich noch ein drittes Mal und endlich waren drei Steinscheiben beieinander. Diese wurden dann auf dem Podest befestigt. Dann erschien unmittelbar vor dem Podest ein seltsam aussehendes Geistwesen. Dieses unterschied sich von den Untoten, denn es hatte einen normalen Kopf, soweit man das unter der über dem Gesicht hängenden Kapuze erahnen konnte und es war außerdem in weiße Gewänder gekleidet. Leider war auch dieses Wesen nicht ohne weiteres zu besiegen und außerdem konnte es von Zeit zu Zeit einen Untoten herbeirufen, der verblüffende ähnlichkeit mit den schon besiegten Exemplaren hatte. Aber unter Einsatz von mehreren Magiern konnte es schließlich doch bezwungen werden und zurück blieb eine kleine Schatulle mit einem wunderschönene Amulett darin.

Ich habe bis heute nicht restlos verstanden, was diese ganzen Ereignisse zu bedeuten hatten. Nur soviel konnte ich herausfinden. Früher wurde die Burg von einem Großmagier bewohnt, welcher dort, aus welchen Gründen auch immer, hingerichtet wurde. Vieles aus dieser alten Zeit geriet in Vergessenheit, als sich verschiedene Herrscherhäuser bekriegten und dabei auch viele alte Aufzeichungen verloren gingen. Vielleicht war nun der Geist dieses Großmagiers in der aufgefundenen Kiste verborgen, vielleicht rief auch nur die öffnung der Kiste diesen herbei. Jedenfalls waren die Untoten und Geistwesen anscheinend nur zu dem Zwecke geschaffen, das Amulett zu schützen. Dieses hatte nach Aussage einiger, in die Geheimnisse der Magie eingewiesenen Gäste, eine gewisse weißmagische Kraft in sich. Die von mir hier geschilderten Ereignisse zogen sich über zwei Tage hin, und in der Zwischenzeit erlebte ich noch einige andere Dinge.

Zum einen wurde man auf der Burg eines gesuchten Verbrechers habhaft. Ich berichtete vor längerer Zeit in diesen Chroniken von einem Umsturz, der das Reich von Vicomte Lucksi erschütterte. Dabei hatte der damalige Heerführer, ein Mann namens Thargo, die Macht an sich gerissen. Er warf Lucksi I. in den Kerker, wo dieser auch verstarb. Dann griff er zusammen mit anderen Umstürzlern das Reich von Brightblade II. an und vernichtete dieses vollständig. Kurze Zeit später wurde er in einem erneuten Umsturz vom Sohn des verblichenen Herrschers, Lucksi II., gleichfalls gestürzt. Er sollte eigentlich getötet werden, aber der Versuch mißlang und er verlor anscheinend nur den Großteil seiner magischen Fähigkeiten. Leider gelang ihm in der Folge die Flucht und sein Verbleib war ungewiß.

Bei seinem Umsturz und auch später hatte sich Thargo der schwarzen Magie bedient. Ein Verbrechen, daß in nahezu der gesamten bekannten Welt schwer bestraft wird. Lucksi II. verschickte auch sofort eine Warnung vor Thargo, in der er unter anderem dazu aufforderte, diesen bei Antreffen besser sofort zu töten.

Thargo hatte sich unter die Gästeschar gemischt, aber er wurde erkannt und dingfest gemacht. In einem Prozeß, in dem der neuernannte Baron Weinheimer den Vorsitz führte, wurde er des Verbrechens der schwarzen Magie, des Umsturzes und des Anzettelns eines Krieges für schuldig befunden. Während dieses Prozesses wurden sogar meine Dienste benötigt. Ich sollte zur Erhellung der Umstände, unter denen Thargo an die Macht kam, einige Stellen aus den Chroniken zitieren, was eine wirkliche Ehre für mich war. Die Strafe für den Schwarzmagier Thargo wurde angesichts der besonderen Umstände nicht vom Baron als zuständigen Dienstherren verhängt, sondern durch die Gäste per Abstimmung festgelegt. Sie lautete auf sofortige Auslieferung an Lucksis Reich. Von den weiteren Vorgängen um Thargo wird noch zu berichten sein.

Während des Festes sorgte auch noch ein Tournament der kampferprobten Gäste für Kurzweil. Besonders ein Faustkampf zwischen dem schon eingangs erwähnten Jungen mit den geschickten Händen und dem wortkargen Hühnen sorgte angesichts des ungleichen Kräfteverhältnisses für einige Erheiterung.

Die Waffengänge konnte schließlich der ehrenwerte Brin von Stolzenfels für sich entscheiden, welcher sich als ein wahrer Meister im Schwertkampf erwies.

Außerdem wurde noch ein besonderes Ereignis gefeiert, nämlich die Geburt der "Reisenden von Tamar". Diese Gruppe von verschiedensten Personen hat sich zusammengefunden, um zukünftig gemeinsam Abenteuer zu bestehen und sich gegenseitig beizustehen. Ich bin stolz sagen zu können, daß auch ich dieser Gruppe fortan angehören werde. Wenn ich doch auch kein großer Kämpfer oder fähiger Heilkundiger bin und mit Magie nichts zu schaffen habe, so habe ich doch einige Kenntnisse der Geschichte dieser Welt und man sagt ja, daß die Feder gelegentlich mächtiger sein soll als das Schwert. Die Feierlichkeiten auf Burg Weinheim fanden dann ein glückliches Ende bei einem großen Festessen mit viel Gegrilltem, Met und Wein in Mengen und viel Lachen und Scherzen. Besonderes Aufsehen erregte beim großen Festmahl ein Fäßchen, welchem einige Gäste schon vorher zugesprochen hatten und dessen Inhalt Gegenstand wildester Vermutungen war. Das Gebräu, welches den, nach Aussage einiger Mutiger, die es tatsächlich versucht hatten, durchaus treffenden Namen "vulpanischer Schädelknacker" trug, hatte es anscheinend wirklich in sich. Ranoka Liegimfeld, der den heftigen Trank angesetzt hatte, mußte sich mehrmals des Vorwurfs erwehren, seine Mischung sei eher als Mittel zur schnellen Beseitigung feindlicher Truppen, denn als Festgetränk zu gebrauchen.

Kaum, daß ich von dieser Reise zurückkehrte, gab es Neuigkeiten von Thargo. Uns erreichte eine Nachricht aus Lucksis Reich, daß Thargo dort angekommen wäre. Anstatt daß er nun aber seiner gerechten Strafe, die Lucksi ja selbst für ihn gefordert hatte, zugeführt worden wäre, ernannte ihn Lucksi II. zum neuen Heerführer seines Reiches.

Man kann sich vorstellen, daß das Entsetzen in allen Teilen Tamars großwar, als diese Nachricht bekannt wurde. Niemand konnte diesen Sinneswandel verstehen. Es kann nur vermutet werden, daß Thargo doch nicht alle seine magischen Fähigkeiten verloren hat und er diese benutzte, um sich selbst nicht nur zu retten, sondern sogar wieder in sein altes Amt einzusetzen. Diese unerwartete Entwicklung hat nun vermutlich auch Auswirkungen auf die geplanten zweiten Tamarschen Wettspiele in Lucksis Reich. Schon mehrere Herren erklärten, sie würden keinen Athleten dorthin entsenden und ich kann sie angesichts der unklaren Lage durchaus verstehen. Auch ich würde mich keinesfalls in ein Reich begeben, in dem ein überführter Schwarzmagier Heerführer ist.

In den letzten Jahren kamen die wichtigsten Neuigkeiten für die Erzlande aus den entfernten Gefilden von Elerion. Nachdem unsere neue Siedlung einige Größe erreicht hat, können die dortigen Siedler nun auch selbst Waffen und Rüstungen herstellen und Truppen ausrüsten. Mit diesen haben sie die ersten eröffneten Minen gegen übergriffe von Orkhorden und Armeen von Zwergen gesichert. Außerdem haben einige Truppen damit begonnen, daß noch weiter östlich gelegene Gebirge nach weiteren Erzvorkommen abzusuchen. Aufgrund der bisher entdeckten reichen Vorkommen an verschiedenen Erzen, sowie des reichhaltigen Angebotes an Holz durch die westlich der neuen Siedlung gelegenen Wälder, läuft die Warenproduktion in unserer neuesten Kolonie ganz prächtig. Dadurch können wir nun noch schneller unsere begehrten Waren nach Nonakesh und zu anderen Gegenden auf Elerion schicken.

Tamar, im Jahre 245

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