Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Von Anorien erreichen uns beinahe täglich neue schlimme Nachrichten.
Tausende Männer müssen auf den Schlachtfeldern im Krieg zwischen Vicomte
Brightblade und Lord Faramir ihr Leben lassen. Nachdem sich nun auch der
letzte Vasall Faramirs gegen ihn gewandt hat, hat sich der Krieg sehr zu
seinen Ungunsten entwickelt. Er verliert immer mehr Städte an Brightblade
und Sauron und auch seine Ländereien werden von den Gegnern besetzt. Die
Meere werden immer mehr von den Flotten an Kriegsschiffen beherrscht,
welche Sauron in großer Zahl zu Wasser ließ. Es sieht nicht gut aus für
Lord Faramir und beinahe steht zu befürchten, daß in nicht allzuferner
Zukunft Vicomte Brightblade die absolute Macht auf Anorien an sich reißen
wird. Das ist ein wirklich beunruhigender Gedanke, eine solche Macht in der
Hand eines Kriegsfürsten zu sehen, der sich in der Vergangenheit
vornehmlich einen Namen durch die vielen Kriege machte, welche er
zur Ausweitung seiner Besitzungen führte.
Nun will ich aber von einem vollkommen anderen Ereignis berichten. Ich
durfte vor einiger Zeit eine Reise an den Hof des ehrenwerten Barden
Eltaron machen, der zu einer Lesung aus seinem Lebenswerk geladen hatte. Da
man mich gebeten hat, einen Bericht über dieses denkwürdige Ereignis zu
verfassen, will ich das auch gleich an dieser Stelle tun. Ein Wort im
Voraus sei mir gestattet. Möglicherweise sind mir nicht mehr alle
Geschehnisse dieser Tage exakt so im Gedächtnis, wie sie sich zugetragen
haben und einige Damen oder Herren, welche ebenfalls dort weilten, haben
diese vielleicht anders in Erinnerung. Sie mögen mir meine Irrtümer
verzeihen, schließlich bin ich auch nur ein Mensch und kann demzufolge
irren.
Außerdem wird der geneigte Leser bei meiner nachfolgenden Schilderung auch
sogleich erkennen, daß die Lesung einige sehr aufregende und beängstigende
Wendungen erfuhr, welche einen Schreiber, der seine Stube nur selten
verläßt, durchaus aus seinem seelischen Gleichgewicht bringen und seine
Erinnerung verwirren können. Aber ich will nicht vorgreifen.
So machte ich mich also im Herbst des Jahres 187 auf den Weg nach
Felsenheim, einer Stadt an den Ausläufern des Dunkelsteingebirges.
Südwestlich von dort, im Steinwald, liegt der Hof von Eltaron, dem Barden.
Der Hof machte bei meiner Ankunft einen recht verfallenen und
heruntergekommenen Eindruck auf mich, aber Eltarons Kunst liegt wohl auch
eher im Schreiben und Dichten als im Bewirtschaften eines Gutes. Außerdem
konnte ich auch keine Bediensteten oder Arbeiter entdecken, bis auf den
Gehilfen Eltarons selbst, der aber mit der Betreuung des Barden genug zu
tun hatte. Eltaron ist ja mit seinen 75 Lebensjahren in einem gesegneten
Alter und sein Rücken war auch schon recht gebeugt von der Last der Jahre.
Unweit des Hofes lag auch eine kleine Taverne, in der ich ein Nachtquartier
für die Dauer meines Aufenthaltes erhalten konnte.
Am Abend des ersten Tages war es dann soweit. Eltaron hatte die Scheune
seines Gutes für die Lesung aus seinem Werk "Mythen von Tamar" herrichten
lassen und bald versammelten sich all die Besucher aus Nah und Fern, um
seinem Werk zu lauschen. Mit einiger Verzögerung erschien dann auch der
Meister selbst, ließ sich am Tisch nieder und begann mit der Lesung eines
Märchens aus seinem Buch. Trotzdem er wiederholt betonte, daß seine
Geschichten hauptsächlich der Erbauung von Kindern zugute kommen sollen,
hatte ich doch den Eindruck, daß die vorgetragene Mär kaum für Kinder
geeignet sei, zu grausam erschien mir doch die Schilderung von Gewalt und
Leid darin.
Die Geschichte handelte von zwei Königstöchtern, welche am Hof ihres Vaters
lebten, der wiederum Besuch von einem Prinzen aus einem benachbarten Reich
erhielt. Während der Prinz die eine der Töchter begehrte, verzehrte sich
doch die andere nach ihm. Ihr Begehren war so stark, daß ein Djinn
erschien, der sie nach ihren Wünschen befragte. Sie wollte den Prinzen zum
Gemahl und ihre Schwester aus dem Weg haben. Daraufhin erfüllte ihr der
Djinn ihren Wunsch auf grausame Art, indem er ihre Schwester zu sieben
üblen Zwergen verbannte, denen sie fortan dienen mußte. Diese Zwerge waren
einst auf ihren Wunsch hin von dem Djinn unsterblich gemacht worden. Aber
auch das Glück der anderen Schwester war nur von kurzer Dauer, mußte sie
doch feststellen, daß der Prinz ein sadistischer Folterer war, dem sie nun
hilflos ausgeliefert war. Ihr Schwester derweil mußte unter den Quälereien
der Zwerge leiden, ohne zu wissen, wem sie dieses Schicksal zu verdanken
hatte. Dann aber erschien der Prinz bei den Zwergen und mit ihm der Djinn,
welcher ihm gehorchte. Sie konnte sehen, wie sich der Djinn aus einem Stein
formte, den der Prinz um den Hals trug, wobei die Kette, an welcher der
Stein befestigt war, zu einer Kette um den Fuß des Djinn wurde. Als sie
diese Kette umfaßte, erstarrten sowohl der Djinn, als auch die Zwerge und
erst, als der gnadenlose Prinz ihr die Hand abhieb, waren sie wieder zu
einer Bewegung fähig. Sie mußte weiterhin den Zwergen dienen und am Ende
sah sie nur einen Ausweg, ihnen zu entkommen. Sie stellte sich tot und
schließlich beschlossen die Zwerge, sie in einem gläsernen Sarg in
unheiliger Erde zu begraben, um sie unsterblich zu machen, wie sie selbst
es waren.
Damit schloß Eltaron seine Lesung und die Zuhörer machten sich, noch lange
über die Geschichte sinnierend, auf den Weg in die Taverne. Nun hat es
allerdings einen gewichtigen Grund, warum ich den Inhalt dieser Geschichte
hier so ausführlich wiedergegeben habe. Ich begab mich ebenfalls zur
Taverne und auch Eltaron erschien noch dort und gabe dem allgemeinen Bitten
nach einer weiteren Kostprobe aus seinem Buch nach. Die Geschichte, die er
hier zum Besten gab, war allerdings weitaus komischer und kam einem für
Kinder geeigneten Märchen viel eher nahe. Die Geschichte von einem Zwerg
namens Balduin und seinen freunden sorgte für einige Heiterkeit und Eltaron
verabschiedete sich schließlich aus einer fröhlichen Runde.
Dann aber sollten sich die Ereignisse überschlagen. Von einem auf den
anderen Augenblick erschien eine unheimliche Gestalt in der Taverne. Ein
hochgewachsener Mann mit stechendem Blick und vielen seltsamen Zeichnungen
auf seinem entblößten Oberkörper. Mit seltsam fließenden Bewegungen
streifte er durch die Taverne, als er aus Versehen von einem Krieger
gestreift wurde. Mit einer kaum warnehmbaren Bewegung hob er die Hand und
urplötzlich schoß ein Blitzstrahl aus seinen Fingern, welcher den wackeren
Kämpfer quer durch die Taverne schleuderte, wo er betäubt liegenblieb. Dann
begann der unheimliche Besucher mit einer durchdringenden Stimme zu
sprechen und fragte mehrere Besucher nach ihren Wünschen. Er wollte sie
ihnen erfüllen. Schon bald aber offenbarte sich, daß er jeden Wunsch
verquerte und nur die schlechten Dinge in den Wünschen sah und sie auf
grausame Weise erfüllte. Selbst eine unbedachte Handbewegung legte er als
Wunsch aus und so terrorisierte er noch eine Weile die Tavernengäste, bis
er schließlich, so schnell er erschienen war, auch wieder verschwand. Er
erschien noch mehreren Leuten an diesem Abend und ständig streifte er auf
dem Gut umher, immer auf der Suche nach Opfern. Dann erreichten uns
Berichte von einem seltsamen Treiben im Wald. Dort waren auf einer Lichtung
mehrere Zwerge aufgetaucht, welche einen gläsernen Sarg mit sich führten,
den sie dort vergraben wollten.
Langsam wurde allen klar, was vorging. Die Geschichte, welche uns Eltaron
vorgetragen hatte, wurde Stück für Stück Wirklichkeit. Niemand wußte, warum
es geschah, am allerwenigsten Eltaron selbst, der der Entwicklung
vollkommen machtlos gegenüberstand und stets nur ohnmächtig beteuerte, er
wisse nicht, warum das alles geschehe. Die Zwerge im Wald stellten sich
alsbald als unbezwingbar heraus. Kein Stahl und kein Zauber konnte sie
verletzen. Als es ihnen bei ihrer Arbeit zu langweilig wurde,
beleidigten sie die herbeigeleilten Krieger und forderten sie immer wieder
zum kampf heraus. Sie gingen sogar soweit, direkt in die Taverne zu
marschieren und dort lautstark Met zu fordern. Niemand wagte es, sich ihnen
in den Weg zu stellen, waren doch schon mehrere tapfere Männer ihren
schweren Hämmern und Äxten zum Opfer gefallen und die Heiler hatten bereits
alle Hände voll zu tun.
Dann aber erinnerte sich einer der anwesenden Recken an die Geschichte und
er bezwang den Djinn, indem er die Kette, die an seinem Fuß hing, am Boden
festmachte. Sofort waren sowohl der Djinn als auch alle Zwerge erstarrt.
Schnell rissen mehrere Männer den Zwergen ihre Schlüssel vom Hals, mit
denen diese den Sarg verschlossen hatten. Kaum, daß sie mit den Schlüsseln
den gläsernen Sarg geöffnet hatten, verschwand der ganze Spuk im Nichts.
Das Ganze war nur eine Illusion, und mit dem Verschwinden des Djinns wurden
auch alle Wünsche, die er erfüllt hatte, wieder rückgängig gemacht. Das war
aber nur der Beginn einer ungeheuerlichen Entwicklung. Nach und nach wurden
immer neue Geschichten aus den "Mythen von Tamar" Wirklichkeit.
Noch während der Djinn sein Unwesen auf dem Gutshof trieb, tauchte eine
neuerliche Bedrohung auf. Jedenfalls dachte zuerst jedermann, daß es eine
wäre. Als ich nämlich mit einigen anderen Männern Eltaron aufsuchen wollte,
kam uns ein seltsam aussehendes Monstrum entgegen. Ein unheimliches Wesen,
der ganze Körper aus Stein, mannshoch mit riesigen Beinen und monströsen
Händen an den steinernen Armen. Dann sprang das Ding auf der Stelle und
ein mächtiger Erdstoß riß die Umstehenden zu Boden. Schon wollten
einige Männer mit Waffengewalt gegen das Steinmonster vorgehen, als
glücklicherwiese Eltaron auftauchte und mit dem Wesen zu reden begann. Er
erklärte uns, daß dieser Steingolem, den er Sputnik nannte, quasi sein
Haustier sei und auf dem Gut für Recht und Ordnung sorgen sollte.
Bald hatten alle den etwas tolpatschigen Gesellen in ihr Herz geschlossen
und wenn er auch zuweilen durch seine unbeholfene Art einem Helden einige
schmerzhafte Prellungen zufügte, so geschah dieses doch nie mit Absicht.
Nach einiger Zeit erhielt er von einigen der Besucher sogar einen Kosenamen
und sie nannten ihn fortan nur noch Steini, was angesichts seiner mächtigen
Erscheinung für allgemeine Erheiterung sorgte.
Am nächsten Morgen wurde von einigen Gästen berichtet, daß spät in der
Nacht noch ein untoter Vampirfürst aufgetaucht war, der ein Mädchen
entführen wollte und dabei von einigen wandelnden Skeletten begleitet
wurde. Nur mit viel Mühe konnte man den Blutsauger schließlich bezwingen
und es kehrte für diese Nacht endlich Ruhe ein.
Wie wir am darauffolgenden Tag entdeckten, war auch dieser Untote einer
der Geschichten aus dem schon mehrfach erwähnten Buch entsprungen.
An diesem Tag berichteten auch einge Besucher von Eltarons Lesung von
seltsamen Träumen, die sie in der vorhergehenden Nacht erlebt hatten. Dabei
schien es sich auf den ersten Blick bei allen um den selben Traum zu
handeln, jedoch mit unterschiedlichem Ausgang.
Übereinstimmend erzählten alle Träumenden, sie hätten mitten im Wald
gestanden, auf einer Lichtung. Auf dieser Lichtung nun war ein Mann auf dem
Boden festgebunden. Einige hatten den Mann nun befreit, andere hatten nur
beobachtet, wie der Mann befreit wurde. Der eigentliche Unterschied in den
Träumen war jedoch das Ergebnis der Befreiung. Während in der einen Version
der Gefesselte sich lediglich für seine Befreiung bedankte und der Traum
damit zu Ende war, verwandelte er sich in der anderen Version in einen
schrecklichen Dämon, welcher den Befreier angriff. Zum Glück kam keiner der
Beteiligten wirklich zu Schaden durch diese Träume, aber die Ahnlichkeit,
in der die verschiedensten Menschen geträumt hatten, gab doch allen große
Rätsel auf.
Sowohl unter den Träumenden, als auch unter denen, die von den Träumen nur
gehört hatten, entspann sich ein Disput, ob diese Träume wohl eine
Bedeutung im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Vorfällen hätten. Leider
muß ich zu meiner Schande gestehen, daß mir der tiefere Sinn dieser Träume,
so er denn vorhanden war, dauerhaft verborgen geblieben ist.
Die nächste Geschichte, deren Gestaltwerdung wir erleben mußten, war die
von einer untoten Jagdgesellschaft. In Eltarons Buch gab es eine Geschichte
über diese Gruppe von unsterblichen Räubern, welche Dörfer überfielen,
raubten, plünderten und mordeten. Sie entführten auch Menschen aus den
Siedlungen, vorzugsweise junge Mädchen, die ihnen dann dienen und zu ihrer
Belustigung herhalten mußten.
Angeführt wurde die Bande von einem einäugigen Alten, der angeblich niemals
schlief und alles sah. Die Geschichte erzählte, daß er tief im Wald
versteckt auf einem Thron sitzen würde und nur, wenn man ihn besiegen
könnte, wäre der Spuk wohl endlich vorüber.
Dieser wilde Haufen fiel ein ums andere Mal über den Gutshof her, und
schließlich entführten sie auch Ranoka, einen Krieger aus den Landen von
Lord Fox. Diesen richteten sie gar übel zu, folterten ihn und schnitten ihm
schließlich zwei Finger und einige andere Körperteile ab, die ich aus
Rücksicht auf die Leserschaft hier nicht näher bezeichnen möchte. Es
bedurfte des ganzen Könnens eines guten Heilers, um Ranoka wieder
zusammenzuflicken. Weniger Glück hatte leider Arin, ein Bewohner der
Bergregion westlich der Stadt Bärenanger auf der von uns bewohnten Insel
Eternia. Gerade, als er und meine Wenigkeit den geschundenen Ranoka zur
Taverne bringen wollten, wurden wir von den Spießgesellen des Einäugigen
überfallen und niedergemacht. Während ich halb bewußtlos am Boden lag,
schlugen sie Arin eine Hand ab und schnitten ihm ein Auge aus.
Ein wahrer Meister der Heilkunst konnte ihm später die Hand wieder annähen,
das Auge jedoch bleib verloren.
Auch diese Illusion verging in dem Moment, in dem eine Truppe von mutigen
Mannen den Einäugigen in den Wäldern um Eltarons Hof aufspürte und ihn zur
Strecke brachte.
Zu allem Überfluß tauchten im Laufe des Tages noch einige alte Feinde auf,
nämlich einige Drakhs. Diese echsenartigen Wesen sind in den nördlichen
Gebieten Tamars eine weitaus schlimmere Gefahr, als in unserer Heimat im
Süden.
Da auf dem Hof auch einige Krieger aus dem hohen Norden weilten, konnte ich
von ihnen einiges über die Drakhs erfahren. Sie kommen in unsere Welt mit
Hilfe von Dimensionstoren. die sie mit Hilfe dunkler Mächte zu errichten
imstande sind. Diese Tore können nur mit starker Magie wieder verschlossen
werden. Die im Kampf gegen die Drakhs sehr erfahrenen Männer berichteten
weiterhin, daß die Monster stets in Gruppen und äußerst gut organisiert
angreifen würden. Sie hätten dabei meist einen Anführer, der auch im
schlimmsten Kampfgetümmel die Übersicht behalten und sie kommandieren
würde, entweder ein erfahrener Kämpfer oder ein gefährlicher Magier.
Zum Glück tauchten nur zwei oder drei kleine Gruppen der Drakhs auf und man
vermutete, daß sie umherstreunende Überbleibsel von größeren Schlachten im
Norden seien. Seltsamerweise waren einige der Krieger auf dem Hof recht
froh, gegen die Drakhs zu kämpfen, da sie diese Gegner wenigstens kannten.
Es war einfacher, sie zu besiegen, als gegen Geister und Untote zu
streiten, die schier unverletzlich erschienen.
Zu unserem Leidwesen sollten sich noch weitere Geschichten aus dem Buch
Eltarons erfüllen.
In der Scheune, in der Eltaron am Abend vorher aus seinem Buch gelesen
hatte, tauchten plötzlich einige Gestalten auf, welche um einen Tisch herum
saßen und einem merkwürdigen Spiel folgten. Auf einer Landkarte Tamars
schoben sie Spielfiguren umher, würfelten und lasen von seltsamen Karten.
Bald war klar, daß es sich bei den Gestalten um vier Götter handelte, die
um die Seelen von Menschen spielten, genauer gesagt um die Seelen der
Bewohner Tamars. Es war uns möglich, ihrem Treiben geraume Zeit
zuzuschauen, ohne das sie von den sie umgebenden Personen die geringste
Notiz zu nehmen schienen. Zu unserer großen Erleichterung hatten ihre
Aktionen auf dem Spielfeld anscheinend keine direkten Auswirklungen auf uns
und nach einiger Zeit war der ganze Spuk ohne das Zutun anderer Personen
wieder vorüber. Auch diese Geschichte war genau so in Eltarons Buch
niedergeschrieben.
Bald brach der Abend an, als sich in einem Waldstück nahe das Gutes ein
neues Unheil anbahnte. Dort tauchte ein Ding auf, daß man kaum beschreiben
kann. Als ich am Ort des Geschehens eintraf, war bereits ein wilder Kampf
im Gange. Mehrere Krieger schlugen im flackernden Schein von Fackeln und
Laternen auf eine formlose Masse ein, die sich in einer Grube am Waldboden
ausbreitete. Aus ihr wuchsen Greifarme heraus, welche mehrere Männer
umklammerten, die sich ihrerseits verzweifelt aus dem eisernen Griff zu
lösen versuchten. Ein furchtbarer Lärm tönte durch den dunklen Wald und
immer heftiger tobte der Kampf. Dann aber verschwand auch dieser Schrecken
ohne jede Spur, so schnell wie er gekommen war.
Ich erfuhr später, daß auch dieses Wesen in einer der Schilderungen in den
"Mythen von Tamar" beschrieben wurde.
Vorher am Tage hatte ich die Gelegenheit, einige Zeit Eltarons
Buch zu studieren. Dabei hatte ich auch die letzte Geschichte gelesen. Von
dieser glaubten einige der Anwesenden, mich eingeschlossen, daß sie der
Schlüssel für die Geschehnisse sei und daß auch sie noch wirklich werden
würde.
Es war darin von einer mächtigen Magierin die Rede, die in einem Turm von
ihren Feinden angegriffen wurde. Sie konnte viele von ihnen vernichten, ehe
sie selbst von einem noch mächtigeren Zauberer an einem Ort ohne Zeit und
Raum gefangen gesetzt wurde.
Dann passierte eben das, was wir schon befürchtet hatten. Ohne Vorwarnung
öffneten sich plötzlich die Tore eines Scheuers in der Nähe von Eltarons
Haus. Aus der Öffnung brach ein helles Licht hervor und dann traten unter
Trommelklang einige unheimlich anzusehende Wesen hervor. Ich glaubte,
meinen Augen nicht trauen zu können, aber sie sahen aus wie riesige
Spielkarten, jedoch mit Armen und Beinen und schwer bewaffnet. Hinter ihnen
trat dann auch noch eine Frau hervor, welche vermutlich die schon
angesprochene Magierin war. Noch immer tönten laut die Trommeln über den
Platz und dann setzten die Feinde zum entscheidenden Angriff an. Sie wurden
von einem Heerführer kommandiert und gingen sehr erfolgreich vor. Da sich
die noch kampffähigen Männer im Kampfgetümmel nicht auf ein gemeinsames
Vorgehen einigen konnten, hatten sie leichtes Spiel. Bald schon war der
ganze Platz übersät mit den niedergemachten Kämpfern und die wenigen
anwesenden Heiler hatten wirklich alle Hände voll zu tun.
Auch ich wurde kurzerhand niedergeschlagen und deshalb kann ich beim
besten Willen nicht sagen, wie die Schlacht weiterging. Aber schließlich
war auch dieses Grauen vorüber und eine gespenstische Ruhe senkte sich über
das Schlachtfeld, nur unterbrochen von den Rufen der Verwundeten nach
Beistand und Hilfe.
Dieser letzten Geschichte standen im Übrigen die Worte voraus: "Sie fand
Erlösung in der Spitze einer Feder, am Grunde eines Tintenfasses." Wenn ich
überhaupt eine Erklärung für die Geschehnisse dieser Tage finden kann, dann
nur die, daß diese Magierin einen Weg fand, Eltaron diese ganzen
schrecklichen Geschichten einzugeben, damit er sie niederschrieb und sie
auf diese Weise ihre Freiheit zurückgewinnen konnte. Mit dem Ende dieser
letzten Geschichte kehrte Ruhe ein über den Hof Eltarons und am nächsten
Tag verließen die Besucher nach und nach das Anwesen.
Schlußendlich hat Eltaron doch das höchste Ziel eines Barden erreicht.
Seine Geschichten werden noch lange nach seinem Tode in aller Munde sein,
wenn auch die Art und Weise, wie der er dieses erreichte, nicht in seinem
Sinne sein wird.