Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Der Krieg auf Anorien ist schlimmer als je zuvor entbrannt. Kaum, daß
Heinrichs Reich gefallen war, schon mußte Vicomte Brightblade, wie er jetzt
genannt zu werden wünscht, den nächsten Krieg vom Zaune brechen. Herr
ONeill, einst Verbündeter von Heinrich, hatte sich nunmehr Baron Faramir
angeschlossen und war bereit, ihm als Vasall zu dienen. Brightblade, dem
ebenjener Faramir anscheinend schon länger ein Dorn im Auge war, sah jetzt
die Möglichkeit gekommen, den Kampf fortzuführen.
Erst sah es so aus, als würde er ONeill in Ruhe lassen, der nebenbei
bemerkt auch kein wirklicher Gegner für ihn war. Sein stark geschrumpftes
und vom vorherigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenes Reich war
auf der Landseite von Brightblades Truppen umstellt.
Dann jedoch, kurz nachdem sich ONeill unter Faramirs Lehnsherrschaft
gestellt hatte, schlug er gnadenlos und ohne Vorwarnung los. Die beiden
Städte ONeills wurden überrannt, die Einwohner brutal niedergemacht und
ONeill selbst konnte nur mit knapper Not in Begleitung einiger Gefolgsleute
auf dem Seeweg entkommen.
Dem geneigten Leser wird nicht entgangen sein, daß ich über Brightblades
Vorgehen alles andere als erfreut bin.
Nach all den Jahren, in denen ich diese Chronik bisher führe, nehme ich
mir das Recht heraus, gelegentlich meine Meinung zu einigen Dingen zu
äußern. Weder bin ich von hoher Geburt, noch habe ich Macht oder Einfluß,
aber die vielen Berichte, Briefe und Erzählungen, die mir mit der Zeit
zugetragen wurden, haben mir, meiner bescheidenen Meinung nach, genug
Lebenserfahrung geschenkt, um manche Geschehnisse klarer zu sehen als in
meiner Jugend. Auch Alberich läßt mir in diesen Chronikeinträgen stets eine
gewisse Freiheit, da er der Ansicht ist, daß eine von allen Machtgelüsten
und Geschäftsinteressen freie Meinung nicht schaden kann. Ich bin auch
nicht immer mit seinen Handlungen einverstanden.
In ebendieser Sache aber vertritt mein geschätzter Dienstherr die gleiche
Meinung wie ich. Zwar ist ein Krieg für einen Waffenhändler wie ihn im
Allgemeinen eine lukrative Sache und außerdem finden die Kämpfe ja auf
einer anderen Insel statt, aber dennoch beobachtet Alberich die stetige
Kriegslust Brightblades mit äußerst besorgtem Blick. Oft sehe ich in den
Fenstern seiner Privatzimmer noch mitten in der Nacht Licht und ich weiß,
daß er wieder stundenlang über den Schriftrollen mit den neuesten Berichten
aus Anorien brütet und sich den Kopf zermartert.
Der Angriff Brightblades auf den nahezu wehrlosen ONeill war weder eine
besonders große kriegerische Leistung, noch war er überhaupt nötig. Er
diente nur dem Zweck, Baron Faramir in einen Krieg zu zwingen. Dieser mußte
nun zwangsläufig gegen Brightblade ziehen, schon um sein Gesicht zu wahren
und den Überfall auf seinen Vasallen zu rächen.
Faramir begann sogleich mit dem Ausheben von Truppen. Außerdem begann er
einen Seekrieg gegen Brightblade. Während uns über seine Erfolge oder
Niederlagen auf dem Land kaum Berichte vorliegen, scheint er auf See einige
Schlachten für sich entschieden zu haben.
Leider mußte Faramir noch einen weiteren Schlag hinnehmen. Gerade, als der
Krieg ausbrach, sagte sich sein Vasall Sauron von ihm los und begann im
gleichen Moment, ihn anzugreifen. Wir wissen nicht genau, welche Gründe ihn
zu diesem Schritt bewogen haben, noch, in welchem Maße er gegen Faramir
Erfolge auf dem Schlachtfeld vorzuweisen hat. Ich werde selbstverständlich
weiter alle Informationen, welche mir zugetragen werden, sammeln und in
meinem nächsten Chronikeintrag erneut zu diesem Krieg berichten.
Auch von der Insel Minhiriat gibt es Neuigkeiten. Der werte Egbert, welcher
dort lange Zeit für Ruhe und Ordnung gesorgt hat und sich als Orkbekämpfer
einen guten Namen machte, mußte aus uns unbekannten Gründen sein großes
Reich aufgeben. Er übernahm eine kleine Stadt und fing dort von Neuem an,
sich ein Reich aufzubauen.
Seine weiten Ländereien aber wurden durch einen schlimmen Fehler eines
unaufmerksamen Kartenzeichners einem neu auf Minhiriat angekommenen Herren
mit Namen Wilhelm zugesprochen. Als diese Karte mit den falschen
Eintragungen auf Minhiriat die Runde machte, gab es sogleich mehrere
Stimmen, die die Vernichtung Wilhelms forderten. Dabei konnte dieser für
diesen Fehler überhaupt nichts und er hatte auch keineswegs die Absicht,
diese Ländereien als seinen Besitz einzufordern. Auch unser Verbündeter
Löwenherz beteiligte sich an diesen Attacken gegen Herrn Wilhelm.
Wilhelm wandte sich schließlich an meinen Herrn mit der Bitte um
Unterstützung. Nahezu zeitgleich traf ein Bericht eines unserer
Kundschafter ein, in dem zu lesen war, daß Löwenherz mit seinen Armeen
bereits vor den Toren von Wilhelms Stadt stand.
Daraufhin verlangte Alberich von Löwenherz eine Erklärung für dessen
Kriegshandlungen. Diese schweren Angriffe auf Herrn Wilhelm waren
schließlich überhaupt nicht im Sinne des Bündnisvertrages, den Herr
Löwenherz unterzeichnet hatte. Zum Glück konnten durch Alberichs Eingreifen
einige Mißverständnisse geklärt werden und die Herren trafen sich am
Verhandlungstisch. Nach dem letzten Bericht unseres Kundschafters hat Herr
Wilhelm wieder einige Ländereien in seinem Besitz und die Armeen von
Löwenherz sind von seinem Land verschwunden. Wie schön, daß sich wenigstens
einige Herren auch friedlich einigen können.
Von einer weit entfernt von Eternia gelegenen Insel möchte ich heute
ebenfalls berichten. Diese liegt östlich von Minhiriat und bisher
erreichten uns nur äußerst selten Berichte von dort. Erst vor kurzem haben
wir einen Kundschafter ausgesandt, um auch von dieser Insel Kunde zu
erhalten. Bisher war sie in meinen Unterlagen immer nur als die "Namenlose"
eingetragen, doch erhielt unser Kundschafter die Information, das sie von
den dortigen Bewohnern vor kurzem den Namen Tiamat erhielt. Er traf dort
außerdem zu seinem Erstaunen auf eine Armee von Baron Faramir. Als mein
Herr sich einige Zeit später zu einem Gespräch mit Faramir traf, kam auch
diese Armee zur Sprache. Sie war von Faramir ausgeschickt wordnen, um den
Bewohnern Tiamats bei der Bekämpfung der zahlreichen Orks auf ihrer Insel
zu helfen. Sie hatten damit wohl erhebliche Schwierigkeiten und so bot
ihnen Faramir seine Hilfe an.
Meines Wissens der erste Hilfseinsatz einer Armee auf einer fremden Insel.
Dabei war es noch zu einem kleinen Mißverständnis gekommen, denn Faramir
ließ seine Truppen an der Südseite der Insel anlanden, während sie
eigentlich an der Nordseite an Land gehen sollten. Zum Glück konnte diese
Sache durch einige geschwind ausgeschickte Boten schnell bereinigt werden
und nun kämpfen die Männer Faramirs auf Tiamat tapfer gegen die
Schwarzpelze.
Nun zu unseren eigenen Angelegenheiten. Nachdem wir nun Kundschafter auf
mehreren Inseln abgesetzt hatten, damit uns Karten und Informationen über
ferne Länder erreichen, haben auch unsere Schiffe die weiten Meere
abgesucht, um vielleicht sogar gänzlich neue Inseln zu finden. Tatsächlich
konnte der Kapitän eines unserer Schiffe vor einigen Jahren eine neue Insel
entdecken. Zuerst schien sie uns vollkommen unbewohnt, aber nach kurzer
Zeit endeckte die Schiffsbesatzung eine kleine Siedlung. Leider waren auch
die gefürchteten Orks auf dieser Insel anzutreffen.
Alberich beriet sich wochenlang mit seinen besten Männern und sie
beschlossen, einen neuen Schritt zu wagen. Es wurde eine kleine Flotte von
Schiffen ausgerüstet. Sie nahmen eine Gruppe von mutigen Familien auf, die
versuchen wollten, auf dieser neuen Insel Fuß zu fassen und dort eine
Siedlung zu gründen. In dem Wissen um die dort hausenden Orks wurde auch
eine kleine Armee mitgeschickt, die diese Siedler beschützen sollte, bis
der neue Ort sich selbst verteidigen könnte. Unter großem Jubel der
Bevölkerung und von Alberich persönlich verabschiedet, machten sich die
Siedler auf den Weg. Nach einer langen und gefährlichen Überfahrt langten
sie endlich an ihrem Ziel an. Die neue Insel, auf den Namen Exevor getauft,
war inzwischen von einigen unserer Schiffe umfahren worden. Sie ist
mindestens eben so groß wie Eternia und von Bord der Schiffe aus waren
weite Ebenen, schroffe Klippen und hohe Gebirgszüge zu erkennen. An einigen
Stellen münden große Flüsse ins Meer, die unsere Schiffe hinauffuhren, um
auch einen Blick auf das Landesinnere erhaschen zu können.
Für unsere neue Sieldung hatte Alberich eine Stelle im Nordosten der Insel
ausgesucht, die ihm geeignet erschien. Dort ergießt sich ein Fluß ins Meer,
der uns einerseits mit Frischwasser versorgt, andererseits die Wasserräder
antreibt, die die Kraft für unsere Sägewerke und dergleichen mehr liefern.
Außerdem war der Schiffsbesatzung, die diesen Fluß befahren hatte,
aufgefallen, daß der Fluß aus einem Gebirge entspringt, welches vermutlich
sehr reich an Mineralien und Erzen sein dürfte.
Kaum, daß unsere Siedler ihr Vorräte ausgeladen und die erstigen notdürftig
zusammengezimmerten Hütten errichtet hatten, tauchten eines Tages die Orks
auf. Unsere Männer aber waren auf der Hut und diese erste Truppe wurde ohne
Schwierigkeiten vernichtet. Auf ihren Streifzügen durch das Landesinnere
haben unsere Mannen bis zum heutigen Tage schon hunderte der Schwarzpelze
niedergemacht. Wir konnten auch tatsächlich reiche Erzvorkommen in den
Bergen erschließen und diese kommen unserer Produktion von Waffen,
Rüstungen und Schiffen zugute. Besonders im Schiffbau haben wir große
Fortschritte gemacht und mittlerweile sind wir auch in der Lage, passable
Kriegsschiffe zu bauen und damit können wir unser Land nun auch gegen
Angriffe von der See aus verteidigen.
Auf dieser neuen Insel haben auch noch andere Herren aus unserem Bündnis
gesiedelt und auch einige andere Reiche haben hier schon Kolonien
gegründet. Auf den Reisen unserer Kundschafter entdeckten diese auch das
Land eines gewissen Agomar. Wir hatten noch keinen weiteren Kontakt mit
ihm, jedoch war seine Stadt von Orks bedroht, mit welchen eine unserer
Armeen kurzen Prozeß machte. Wir fühlen uns natürlich verpflichtet, neuen
Reichen zu helfen, die sich noch nicht selbst gegen diese Plage verteidigen
können.
Damit möchte ich diesen Chronikeintrag abschließen. Ich werde mich in den
nächsten Tagen auf die Reise nach Exevor machen, um dort mit eigenen Augen
die Schönheit dieser Insel zu sehen und mich vom Fortschritt in unserer
Kolonie zu überzeugen.