Jahr 160
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Sicher wünscht der geneigte Leser zu erfahren, was denn nun aus Sergus
geworden ist. Dieser ist ja, wie ich berichtete, spurlos aus seinem Reich
verschwunden. Leider kann ich hierzu nichts Neues sagen. Niemand hat Sergus
seitdem gesehen und es gibt keinerlei Hinweise auf seinen Verbleib. Was nun
sein Reich anbelangt, da gab es doch einige Unklarheiten, was damit
geschehen soll. Das Reich grenzte sowohl an das Reich von Herrn Siegfried,
als auch an dasjenige von Herrn Skar an. Beide erhoben nun Anspruch auf die
Hinterlassenschaft, im Speziellen auf die sehr wertvolle Hafenstadt. Herr
Siegfried behauptete, er hätte in einem Bündnis mit Sergus gestanden und
sei daher der rechtmäßige Erbe. Herr Skar behauptete wiederum, das Reich
sei durch den Verlust des Herrschers zu freiem Land geworden, dessen sich
jeder bemächtigen dürfe. In dieser Ansicht wurde er durch seine
Bündnispartner unterstützt, zu denen auch mein Dienstherr gehört.
Alberich hatte zur Klärung des Verbleibens von Sergus im Stillen eine
kleine Gruppe von Kundschaftern in Richtung seines ehemaligen Reiches
entsandt, von denen wir jedoch nie wieder etwas hörten. Erst, als sich die
Herren Skar und Siegfried einigten und Skar die Stadt, in der einst Sergus
regierte, übernahm, erfuhren wir auch etwas über den Verbleib unserer
tapferen Mannen. Sie wurden von Skar's Truppen tot in der Nähe der
vollkommen verwüsteten Residenz aufgefunden. Wir werden wohl nie genau
erfahren, unter welchen Umständen sie ums Leben kamen.
Herr Skar berichtete von furchtbaren Verwüstungen in der Stadt. Die
Anarchie hatte Einzug gehalten und das Volk war ohne einen Herrscher dem
allgemeinen Wahnsinn und blinder Zerstörungswut verfallen. Überall in der
Stadt waren Feuer ausgebrochen und alle wichtigen Gebäude lagen in Schutt
und Asche. Die Lagerhäuser, in denen einstmals die wertvollen Waren, mit
denen Sergus handelte, untergebracht waren, waren allesamt geplündert und
niedergebrannt. Auch von den sagenhaften Goldvorräten, welche Sergus durch
seine Handelstätigkeit angehäuft hatte, war nichts mehr aufzufinden.
Auf der Insel Anorien scheint weiterhin ein schon lange währender Krieg
zwischen den Herren Heinrich und Brightblade zu toben. Zu meinem Bedauern
lassen sich hierzu nur selten Neuigkeiten in Erfahrung bringen. Die
einzigen Verlautbarungen der beteiligten Parteien, derer ich in der letzten
Zeit habhaft werden konnte, waren gegenseitige Schuldzuweisungen und
Vorwürfe. Vor geraumer Zeit hatte Herr Sauron angeboten, zwischen den
Parteien zum Zwecke eines Friedensschlußes zu vermitteln, aber sein
Vorschlag stieß auf taube Ohren. Der werte Herr hat mit dem ganzen Konflikt
eigentlich gar nichts zu tun, aber sein Reich befindet sich zu seinem
Unglück mitten in dem Kriegsgebiet und so ist er natürlich sehr daran
interessiert, daß sich die Lage endlich wieder beruhigt.
Im letzten Jahr wurden auf Eternia mehrere alte Schriftrollen gefunden. Sie
sind in einer alten Schrift verfaßt und das Papier war zum Zeitpunkt
ihrer Entdeckung schon halb zerfallen. Deshalb wird angenommen, daß sie aus
einer Zeit noch vor König Abanor stammen.
Damals, bevor der Tod des beliebten Königs ganz Tamar ins Dunkel stürzte
und die neue Zeitrechnung begann, blühte Tamar in einem Glanz, der auch
heute, viele Jahre später, noch nicht wieder erreicht ist. Zu jener Zeit
existierten große Städte mit vielen Gebäuden, die wir heute gar nicht mehr
kennen. Schlösser, Burgen, riesige Handelskontore und seltsame Bauten, in
denen Wagenrennen und Ritterspiele zur Erheiterung der Bevölkerung
abgehalten wurden. All das wurde auch in den gefundenen Schriftrollen
beschrieben.
Das meiste Wissen aus dieser Zeit ist in der dunklen Periode, welche auf
den heimtückischen Mord an König Abanor folgte, vernichtet worden. Damals,
als Chaos und Grausamkeit herrschten, wurden die Städte verwüstet, die
Bibliotheken niedergebrannt und die alten Werte gingen verloren. Als nun
die neuen Herren ihre Reiche gründeten, da mußten sie vieles neu erfinden
und nur langsam kam das alte Wissen zurück. Gelehrte forschen nun wieder
und dabei stoßen sie gelegentlich auch auf einige Überbleibsel aus den
alten Zeiten.
Die von mir erwähnten Schriftrollen fanden sich in einer alten Truhe, die
im Keller des Hauses eines alten Schriftgelehrten die harten Jahre
überdauert hatte. Das Haus war lange Zeit unbewohnt, nachdem der alte
Gelehrte gestorben war. Als nun aber vor kurzem das Haus abgerissen werden
sollte, da untersuchte man nochmals den Keller. Dabei wurde dann die Truhe
entdeckt und die Schriften wurden an eine Gruppe von Gelehrten übergeben.
Welche Freude überkam sie, als sie unter den Rollen auch Baupläne
entdeckten. Genauestens waren Pläne für den Bau von riesigen Burgen,
Hospitälern, Universitäten und dergleichen verzeichnet. Damit sollte es nun
möglich sein, den alten Glanz wiederzuerwecken, der einst die Weiten von
Tamar erhellte.
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