Jahr 110
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Das Schicksal meint es nicht gut mit uns. Der lang ersehnte Frieden war nur
einen kurzen Augenblick lang nahe. Kaum, dass Wolfen und Siegfried in den
Waffenstillstand eingewilligt hatten, da widerriefen sie auch schon ihre
Nachrichten und kaempften nur um so verbissener weiter. Bald sollte uns
aufgrund von Informationen, die uns auf geheimen Wegen zugetragen wurden,
klarwerden, dass die ganze Sache so geplant war und bei Siegfried und
Wolfen nie die Absicht bestand, diesen Waffenstillstand wirklich
einzugehen. Sie wollten mit diesem ueblen Trick nur Zeit zur Aufstellung
neuer Truppen gewinnen, da ihr erklaertes Ziel die Vernichtung der
VSZOT-Allianz war, ist und immer bleiben wird. Das Wolfsrudel, wie die
unheilvolle Allianz unserer Gegner bei uns gescholten wird, hatte
unglaublich viele Armeen aufgeboten, um uns endgueltig zu vernichten.
Alberich rief alle unsere Truppen in unsere Residenzstadt zurueck. Dann
liess er die Tore versperren und bereitete die Maenner auf den, wir wir
glaubten, unmittelbar bevorstehenden letzten Angriff vor. Die feindlichen
Truppen jedoch attackierten uns nicht, sondern schlossen einen festen
Belagerungsring um unsere Stadt.
Uns erreichten kaum noch Nachrichten von ausserhalb, doch eines Tages
gelang es einem Boten, sich durch die feindlichen Lager zu schleichen um
uns folgende unglaubliche Depesche zukommen zu lassen:
Oh höret Ihr Herren von Tamar,
Sir Wolfen ist tot ! Sir Wolfen ist tot !
diese dringende Depesche sollet Euch alle erreichen. Arnauld ist mein Name,
meines Zeichens freier Herold von Eternia, überbringe ich Euch die Kunde
das anscheinend ein Anschlag auf den Herrscher names Wolfen, manchen
bekannt als Wolfen, der Warlord, ausgeübt wurde.
Laut unseren Informationsquellen trug es sich in den späten Abendstunden des
Mittsommertages des Jahres 108 zu, als ein Brand in der Residenz des
allseits bekannten Herrschers gelegt wurde. Das Feuer wogte in den
Nachthimmel und man sagt es sei 300 Ellen hoch gewesen. Ich selber kann es
nicht bezeugen, aber die Wächter des Schloßes meinten man hätte die
verkohlte Leiche von Sir Wolfen erkannt an dem Amulett eines Wolfskopfes.
Das Amulett wird seit Generationen in der Familie weitergereicht und ist
ein eindeutiger Beleg.
Sir Wolfen wurde am darauffolgenden Tage als Tot erklärt und sein Reich
steht unter Anarchie !!!
Da Sir Wolfen bis heute keine Nachkommen erzeugt hat und auch keine
sonstigen lebenden Verwandschaften bestehen, ist das Land ab sofort freies
Gebiet und kann von jedem Herren annektiert werden.
Aber seyet vorsichtig Ihr Herren von Tamar! Niemand weiß genaues über die
Zustände in diesem Land und rebellierende Truppen könnten Angriffe auf Euch
starten !!!
Man sagt auch das derjenige, der die Stadt von Wolfen übernimmt zukünftig
über ein beträchtliches Vermögen verfügen dürfte...
Arnauld
freier Herold
Sollte es wirklich wahr sein, sollte den Kriegstreiber sein gerechtes
Schicksal ereilt haben? Vielleicht ist die Aussage, das Feuer sei
gelegt worden auch nur ein ausgekluegelter Winkelzug seiner Leute, um
seinen Feinden seinen Tod anzulasten?
Nichtsdestotrotz bedeutete diese Nachricht vor allem eines: Das Wolfsrudel
hat eines seiner wichtigsten Mitglieder verloren.
Alberich hatte inzwischen erkannt, dass unser Reich auf Eternia keine
Zukunft haben kann, da der Krieg wohl nie zu Ende gehen wuerde. In langen
Beratungen mit den Fuehrern der Armeen und den Aeltesten unseres Volkes
wurde beschlossen, dass wir, wenn sich die Gelegenheit ergeben wuerde, von
Eternia fortgehen und auf einer anderen Insel einen Neuanfang wagen werden.
Allen ist klar, dass wir dort auf ebensolche Bosheit und Machtgier treffen
koennen wie an diesem Ort, aber im Moment erscheint uns diese unsichere
Zukunft immer noch besser als ein weiteres Ausharren neben solcher
Nachbarschaft, wie sie das Buendnis um Siegfried darstellt.
Dieser jedenfalls nutzte seine Chance, er besetzte unser Land und rueckte
gleichzeitig auf die nun verlassenen Laendereien Wolfens vor. Dabei jedoch
unterlief ihm ein fataler Fehler. In seiner unbeherrschten Machtgier hob er
so viele Truppen aus, dass er kurze Zeit spaeter nicht mehr in der Lage
war, das gewaltige Vermoegen in Gold aufzubringen, welches fuer die
Soldzahlungen und den Unterhalt der Armeen noetig ist. Scharenweise liefen
ihm seine Mannen davon, wobei er noch von Glueck sagen kann, dass sie sich
nicht gegen ihn wandten.
In dieser Situation erkannte Fox von Sion (wie Ihr Euch erinnern werdet,
einer unserer wichtigsten Verbuendeten) die Gunst der Stunde und rueckte
mit seinen Truppen zu unserem Entsatz aus. Da er zur Stunde schon grosse
Teile unserer ehemaligen oestlichen Laendereien in seine Hand bringen
konnte, wird sich hoffentlich bald eine Moeglichkeit fuer uns ergeben, uns
auf die Reise in eine neue Heimat zu begeben. Wir suchen auch fieberhaft
nach einer Moeglichkeit, unsere immer noch grossen Warenbestaende an unsere
Verbuendeten weiterzugeben, da wir nur das Noetigste mitnehmen koennen.
Fuer mich persoenlich ist es eine schlimme Zeit. So lange haben wir hier
gelebt, haben unser Land aufgebaut, nur um zu sehen, wie es nun von der
Hand ehrloser Barbaren gebrandschatzt und gepluendert wird. Oft sehe ich
keinen Trost mehr und mir wird Angst vor dem Morgen. Kilian ist mir in
diesen Stunden eine grosse Hilfe. Dieser junge Bursche von kaum 20
Jahren ist schon seit einiger Zeit mein Gehilfe, denn ich habe viel zu
tun und werde ja auch nicht juenger. Sein Vater Thorwald ist, wie viele in
unserem Reich, ein faehiger Waffenschmied und eigentlich sollte sein Sohn
dereinst die kleine Schmiede uebernehmen, aber der hatte andere Plaene.
Er vertrieb sich die Zeit bisher lieber damit, mir beim Binden von Buechern
zu helfen, kleinere Botengaenge fuer mich zu erledigen, oder mir einfach
nur zuzuschauen, wenn ich ein Schreiben aufsetzte. Ausserdem ist der Junge
nicht unbedingt der Kraeftigste und fuer die schwere Arbeit am Amboss nicht
gerade geschaffen. Seinem Vater blieben die Interessen Kilians nicht lange
verborgen. Eines jedoch wusste er genau. Kilian hat einen enorm starken
Willen und er wuerde ihn nie zwingen koennen, etwas zu tun, was er nicht
will.
Also machte sich Thorwald eines Tages auf zur Residenz, in der auch ich
meine kleine Schreibstube habe und klopfte an meine Tuer. Er kam gleich zur
Sache und fragte mich, ob ich seinen Sohn in die Lehre nehmen wuerde, ihm
Schreiben, Lesen und Rechnen beibringen wuerde und ob Kilian nicht als mein
Gehilfe arbeiten koennte. Ihm sei klar, dass der Junge die Schmiede nicht
uebernehmen wuerde, aber er haette seinen Sohn doch sehr gern und wolle nur
sein Bestes. Ich zoegerte erst ein wenig, denn in meinem Alter ist es nicht
leicht, einem so jungen Burschen all diese schwierigen Sachen beizubringen,
aber er war mir bisher eine grosse Hilfe gewesen und so willigte ich
vorerst ein. Ich schickte Thorwald allerdings zu Alberich, denn der hatte
in dieser Sache als mein Dienstherr das letzte Wort.
Was soll ich sagen, er war kurzerhand einverstanden und schon am naechsten
Tage erschien Kilian zum ersten Tag seiner Lehre. Er ist wirklich ein
helles Koepfchen und schon heute kann er Abschriften anfertigen, die
Lagerlisten pruefen und mir jede Menge Arbeit abnehmen. Bald wird er ein
vollwertiger Schreiber sein und vielleicht kann ich ihm eines Tages die
Arbeit an der Chronik anvertrauen, wenn meine Augen zu muede sind und meine
Hand zu zittrig geworden ist, um hier Zeugnis abzulegen ueber das Geschehen
auf Tamar.
Nun haette ich endlich mehr Zeit, meinen Lieblingsplatz an den Kupferzinnen
oefter zu besuchen, aber es ist ausserhalb der Stadt viel zu gefaehrlich
und so muss ich hier hinter der sicheren Stadtbefestigung bleiben und kann
nur von Zeit zu Zeit einen sehnsuechtigen Blick auf die wunderschoenen
Berge am Horizont werfen.
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