Jahr 95
Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
Es ist zum Schlimmsten gekommen, dass ich mir nur vorstellen kann. Der
Sturm des Krieges brach unvermittelt ueber unser friedliches Reich herein.
Aber lasst mich von Anfang an erzaehlen:
Schon seit geraumer Zeit war der Ton zwischen den einzelnen Herren auf
Tamar frostiger geworden. Speziell zwischen den Angehoerigen von Lord
Wolfens Buendnis und den unserem Buendnis angehoerigen Herren wurden zum
Teil sehr heftige Worte gewechselt.
Als nun, wie ich bereits in meinem letzten Bericht schrieb, Herr Fox einige
Truppen in unser Land brachte, um Uebungen abzuhalten und unsere Grenzen zu
schuetzen, da geschah das Unglaubliche. Der ruchlose Siegfried ueberfiel
bei Nacht und Nebel die westlichen Gebiete unseres Reiches. Er liess durch
seine Maenner die dort lebenden friedlichen Bauern niedermachen und
beanspruchte einen ganzen Landstrich fuer sich, welcher noch vor kurzem uns
gehoerte. Sofort protestierte Alberich wuetend, aber er bekam von Siegfried
keine Antwort. Bis zum heutigen Tage ist uns Siegfried eine Erklaerung
schuldig geblieben. Kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung ueber
diesen barbarischen Akt, nur Haeme, neuerliche Beleidigungen und
Anschuldigungen.
Uns blieb nichts weiter uebrig, als in den Kampf zu ziehen. Nachdem wir
unser Land zurueckerobert hatten, mussten wir uns gegen fortgesetzte
Angriffe von Siegfried wehren, welcher alsbald von Lord Wolfen mit
zahlreichen gut ausgeruesteten Truppen unterstuetzt wurde. Monatelang wogte
der Kampf hin und her. Dann beorderte Alberich fast alle unsere Armeen
zurueck nach Schmiedefeld, um diese neu auszuruesten. In der Zwischenzeit
hielten die tapferen Mannen von Fox an der Grenze die Wacht. Alberich
verkuendete fuer unser Reich eine Waffenruhe und wir glaubten, fuer einige
Zeit Ruhe im Lande zu haben.
Was dann geschah, kann am Besten Herr Fox selbst berichten. Deshalb moechte
ich an dieser Stelle sein Schreiben anfuegen, welches uns kurz nach den
im Folgenden beschriebenen Ereignissen erreichte und uns die furchtbare
Gewissheit brachte, dass der einst so ehrenwerte Lord Wolfen vor nichts
zurueckschreckt, um seine machthungrigen Ziele zu verfolgen:
"Es ist Winter. Schneegestöber weht über die Grenzbefestigungen und unsere
Mannen harren in ihren Unterständen. Alberich hatte seine Truppen schon vor
Wochen in seine Stadt zurückbeordert, um ihnen andere Waffen mitzugeben.
Einige sind schon wieder auf dem Weg zurück. Herr Alberich hatte für diese
Zeit einen Waffenstillstand ausgerufen, also waren wir guten Mutes, einige
Zeit ohne Kämpfe zubringen zu können.
Lord Wolfen hat schon seit mehreren Monaten seine Truppen an der Grenze
stationiert. Wir befürchten, daß er sehr starke Kampfverbände hat. Doch
eigentlich ist das nicht sein Kampf, der sich hier an der Grenze ausbreitet
- dachten wir jedenfalls. Löwenherz hat eine Armee auf den Weg in das
Krisengebiet gesandt. Auf den ersten Blick scheint sie auch nur recht
leicht bewaffnet zu sein. Allerdings ist das auch kaum ein Ausgleich zur
ihrer agressiven Führung. Schon eine ganze Zeit zieht Löwenherz, der sich
als Verbündeter Wolfens und Siegfrieds zu erkennen gegeben hat, über das
Gebiet von Alberich - eine eigentlich unhaltbare Situation und Provokation.
Es war im Morgengrauen. Unsere Späher hatten die herannahenden Truppen von
Siegfried glücklicherweise schon früh ausmachen können. So bleib uns also
genügend Zeit, die Stellungen zu beziehen, um die Grenze gegen die
Angreifer zu verteidigen. Wir hatten auch das Glück auf unserer Seite.
Schon nach kurzer Zeit waren die Truppen von Siegfried so weit geschlagen,
daß sie in wilder Flucht davon rannten.
Das war ein Fest für unsere Männer, die die schmächliche Niederlage gegen
Siegfried vor einiger Zeit noch im Kopf hatten.
Kaum einer beachtete die dunkle Macht, die sich unhaltbar aus dem Westen
heranschob. Die Sonne war schon untergegangen, als das wilde Geschrei von
hunderten feindlichen Kämpfern uns erschaudern ließ. Nur schemenhaft war
der Gegner zu erkennen. Es war ein Gemetzel, kaum einer entging dem
mörderischen Angriff..."
Hier reißt der Bericht ab, denn selbst die Kampfbeobachter, die mir
normalerweise den Ausgang einer Schlacht melden, kamen nicht mehr zurück,
oder hatten so schreckliches erlebt, daß ihnen keine vernünftige
Information mehr zu entlocken war. Nur ein kleiner Fetzen Stoff konnte mir
vom Schauplatz dieses Blutbades gebracht werden:
Lord Wolfens Truppenzeichen!
Ohne, daß wir mit ihm im Kriege standen, hatte er unsere Grenzstellungen
mit einer Übermacht vernichtet. Alberichs Truppen, die mit neuen Waffen aus
der Hauptstadt wieder in dieses Gebiet zogen, konnten nur noch die Übereste
meiner tapferen Männer beerdigen.
Für mich steht damit fest, daß Wolfen, wie sein Handlanger Siegfried, zu
den schlimmsten Gefahren gehören, die es auf unserer Insel gibt.
Ich denke, diese Schilderung der furchtbaren Ereignisse spricht fuer sich.
Alberich war ausser sich, als er von den schrecklichen Verlusten erfuhr,
welche Fox hinnehmen musste. Es gab nur noch einen Ausweg: Wir mussten nun
mit allen Truppen zum Angriff uebergehen. Also schrieb ich schweren Herzens
die Befehle an die Truppen, wohl wissend, dass durch diese Befehle viele
tapfere Mannen ihr Leben lassen muessten. Ausserdem stellte Alberich den
Truppen von Loewenherz ein Ultimatum. Sie sollten schnellstmoeglich unseren
grund und Boden verlassen und Loewenherz selbst sollte sich zu seinem
agressivem Vorgehen aeussern. Als die Truppe von Herrn Loewenherz unser
Land bis zum Ende des Ultimatums nicht verlassen hatte, sondern sich im
gegenteil noch in befestigte Stellungen verschanzt hatte, gab es kein
Zurueck. Alberich bat die in der Naehe befindlichen Mannen von Fox um
Hilfe. Diese griffen daraufhin mit aller Haerte die Mannen von Loewenherz
an. Es war ein leichter Sieg, aber keiner konnte sich darueber freuen. Die
Maenner waren sehr schlecht ausgeruestet. Mit schwachen Waffen und kaum
Ruestzeug versehen, waren sie in Windeseile den Schwertern der
heranstuermenden Truppen zum Opfer gefallen. So sehr ich den Todesmut
dieser Mannen bewundere, die tapfer bis zum bitteren Ende ausharrten, so
sehr verabscheue ich Wolfens Machtgier, die ihn dazu bringt, Verbuendete
um sich zu scharen, welche fuer ihn blindlings ins Verderben rennen
Dann folgten Monate furchtbarer Schlachten. Zwar konnten wir nach kurzer
Zeit die Oberhand gewinnen und auch Dank der Hilfe unserer Verbuendeten den
Truppen Siegfrieds und Wolfens schwere Verluste beifuegen, doch auch unsere
Reihen lichteten sich mehr und mehr. Ausserdem zogen unsere Gegner immer
wieder neue Truppen heran und so ist der Kampf auch zur Stunde noch nicht
vorbei.
Einige der anderen Herren von Tamar haben ihre Kundschafter ausgeschickt,
um den Krieg zu beobachten. Die Kunde von dem schlimmen Schlachten hat sich
wie ein Lauffeuer verbreitet und so lagern die Kundschafter nun in sicherer
Entfernung von den Schlachtfeldern und erstatten ihren Herren Bericht.
Doch mein Blick bleibt nicht verschlossen vor den Geschehnissen, die sich
in friedlicheren Teilen Tamars begeben. Immer wieder geschah es in der
Vergangenheit auf Tamar, dass das Volk eines Herrschers aufgrund
verschiedener Umstaende ploetzlich sehr drastisch dezimiert wurde.
So geschah es erst unlaengst auf einer der anderen Inseln bei einem Herrn
namens Raistlin. Durch eine unglaubliche Fehlplanung seines Verwalters war
nicht mehr genug Korn in seinen Speichern, um seine Leute ausreichend zu
ernaehren. Mitten in einem lang anhaltenden Winter mussten deshalb viele
Menschen Hungers sterben. Doch damit nicht genug. Es war auch zu wenig Korn
fuer eine neue Aussaat vorhanden und so starben insgesamt ueber 17000
seiner Untertanen einen grausamen Tod.
Ich kann nur hoffen, dass er in Zukunft alle Planungen nochmals selbst
ueberprueft und das Leben seiner Untertanen nicht blindlings einem
unfaehigen Verwalter anvertraut.
Ich moechte diesen Bericht schliessen in der Hoffnung, dass es beim
naechsten Mal erfreulichere Nachrichten gibt.
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