Seid gegruesst, edle Damen und Herren!
In der letzten Zeit gab es einen höchst unerfreulichen Aufruhr unter den Besuchern, welche die Aushänge in den öffentlichen Hallen studierten. Einer der Barbarenführer mit Namen Phredo hatte angekündigt, daß er angesichts der Vorfälle um das Reich des Lord Baltar keine Kleinreiche dulden werde, welche sich nicht klar dazu äußern, wem sie die Treue halten. Später versuchte er diese Ankündigung, welche ja nichts Anderes bedeutete, als daß er solche Kleinreiche kurzerhand vernichten wolle, noch abzumildern, indem er erklärte, daß er dabei lediglich Reiche im Gebiet der Barbarenreiche meinte, aber da war die Aufregung bereits groß. Eine wilde Auseinandersetzung entbrannte darum, ob ein solches Vorgehen denn akzeptabel sei, oder wie man dagegen vorgehen sollte oder ob man Herrn Phredo dafür nun irgendwie bestrafen müßte.
Dabei wurde einmal mehr ein Phänomen deutlich, das man schon früher in den Hallen beobachten konnte, welches in letzter Zeit aber überhand genommen hat. Manche Herren, nebst einiger Damen, haben anscheinend den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun, als sich in den Hallen aufzuhalten und nur darauf zu warten, daß endlich wieder ein Schreiben ausgehängt wird, auf das sie sogleich eine Antwort verfassen können. Jene bedauernswerten Subjekte scheinen tatsächlich zu glauben, daß es ihrem Ansehen hilft, wenn sie sich nicht durch bedachtes Wirken beim weiteren Ausbau ihres Reiches und der Ausübung ihrer Regentschaft hervortun, sondern ihre Tage lieber damit vergeuden, wichtigtuerische Briefe zu verfassen, deren fortgesetztes Studium jedem noch so hartgesottenen Schreiber oder Chronisten erhebliche Kopfschmerzen verursacht.
Einige Zeit nach der Ankündigung des Phredo, die ja am Ende, so unangebracht sie auch war, nur dazu dienen sollte, daß sich ein Vorgang wie auf der Ile de Papillon nicht wiederholt, erklärte Herr Hildebrandt dann, daß solche Kleinreiche unter seinem Schutz stünden. Als dann das Reich der Lady Grainne von der Barbarenführerin Elisa De Cruz angegriffen und vernichtet wurde, hatte Herr Hildebrandt nichts Eiligeres zu tun, als die Barbaren Phredo und Elisa De Cruz zu Geächteten zu erklären. Dabei machte er seine Erklärung in einiger Überschätzung seiner eigenen Stellung allerdings gleich im Namen aller freien Reiche Tamars. was ihm jedoch von den meisten dieser Reiche lediglich ein müdes Lächeln einbrachte. Elisa De Cruz hatte das Reich der Lady Grainne, welches lediglich aus einer einzigen Siedlung und wenigen Morgen Land bestand, angegriffen, nachdem die Barbaren sie mehrmals aufgefordert hatten, sich für oder gegen sie zu stellen. Nachdem eine Antwort lange Zeit ausblieb, sah die Barbarenregentin keine andere Möglichkeit, als dieses Reich zu vernichten. Das kann man natürlich unmöglich gutheißen, genausowenig wie die Reaktionen, die daraufhin erfolgten. Von allen Seiten erhob sich ein furchtbares Schimpfen und Zetern und plötzlich entdeckten einige der Herren alter Reiche ihre Bestimmung als Beschützer und Fürsprecher der Schwächeren. Die Krone gebührte in dieser Angelegenheit dem Lord Albarich, der Kopfgelder in Millionenhöhe auf die Barbaren aussetzte. Seltsamerweise hatten all jene Damen und Herren, welche nun die ach so furchtbaren Barbaren verdammten, alle etwas Anderes zu tun, als Lord Baltar über einen Nachbarn herfiel und dessen Reich auslöschte, was ihm nur mit erheblicher Hilfe durch bis heute unbekannte Gönner gelingen konnte. Selbst, nachdem er erklärt hatte, er hätte eben mehr Platz für sein Reich gebraucht, blieben all jene angeblich so aufrechten und gerechtigkeitsliebenden Herren stumm, welche nun umso lauter den Tod der Barbaren fordern.
Lord Löwenherz machte eine interessante Ankündigung. Er ließ einen Brief aushängen, in dem er erklärte, daß es ihm gelungen sei, das gelobte Land zu finden. Dieses nicht näher bezeichnete Land scheint außerhalb der bekannten Ländereien Tamars zu liegen. Lord Löwenherz äußerte sich zwar nicht zu Einzelheiten, aber er ließ weiter verlauten, daß er nach weiteren 40 Jahren sein angestammtes Reich verlassen werde und dieses neuentdeckte Land sein Ziel sei. Den Damen und Herren vom Norderbund schien diese Ankündigung ein lachendes und ein weinendes Auge zu bescheren. Einerseits war Lord Löwenherz der einzige ernstzunehmende Gegner, mit dem sie sich in letzter Zeit auseinanderzusetzen hatten, andererseits wäre es wohl ziemlich schmachvoll für sie, wenn er einfach entschwinden würde, ohne daß es ihnen mit all ihrer Überlegenheit gelungen wäre, ihn vorher zu bezwingen.
Vor einigen Jahren berichtete ich über Lord Arnold,. welcher ein recht ungewöhnliches Testament verfasste. Darin setzte er keine direkten Erben für seine Städte und Ländereien ein, sondern er hatte erklärt, daß er seine Siedlungen einfach an denjenigen übergeben würde, der sie haben wolle und rechtzeitig vor Ort sei. Ebenjener Lord Arnold von Schwarzacker ist nun verstorben, wie aus einem Nachruf hervorging, welchen Lord Melax aushängen ließ.
Kaum, daß sich die Wogen angesichts der Vorgänge in den Barbarengebieten wieder etwas geglättet hatten, wurde es erneut unruhig in den Hallen der Aushänge. Eine neue Kaiserin wurde ausgerufen. Lady Maidheike hatte es tatsächlich geschafft, genug Vasallen und Folgevasallen in die Reihen des Guridh-Ordens zu bringen, daß es für einen Kaisertitel reichte. Die entsprechende Proklamation hängte dann auch noch der allseits berüchtigte Kuno Killerkarpfen aus. Die meisten Damen und Herren anderer Reiche, speziell aus den Reihen des Norderbundes hatten natürlich nichts Eiligeres zu tun, als der neuen Kaiserin zu sagen, wie ungeeignet sie für diesen Posten wäre. Da konnte man deutlich erkennen, daß der Neid auf Tamar weit verbreitet ist. Enige Regenten sind nicht in der Lage anzuerkennen, daß jemand Anderes etwas vollbracht hat, was sie wohl nie erreichen werden weil es ihnen an Einsatz, Durchhaltevermögen und diplomatischen Geschick mangelt. Anstatt dann lieber zu schweigen, versuchen sie lieber den Erfolg anderer schlecht zu reden, wohl wissend, daß sie es nie soweit bringen werden.
Dann wurde natürlich noch lang und breit darüber diskutiert, wie lange man wohl die verschiedenen Lehensverhältnisse hin und her geschoben habe, um endlich den Kaisertitel beanspruchen zu können. Immer wieder wurde auch verlangt, daß sich die neue Kaiserin dazu äußere, ob sich denn unter ihren Folgevasallen auch Barbarenreiche befänden. Schnell wurde ihr dann vorgeworfen, daß sie nicht aufrichtig sei und man stellte es so dar, als ob es ihre Pflicht sei, genau über ihre Lehensverhältnisse Auskunft zu geben. Aber gerade jene, die da so vehement Auskunft verlangten, vergaßen darüber, daß sie selbst ja ebenfalls keine Auskunft über ihre Vasallen geben, wie das bekanntlich die wenigsten Reiche auf Tamar tun. Es war schon immer so, daß man sich nicht unbedingt darüber ausließ, wer denn nun zu den eigenen Vasallen zählt oder wer denn der eigene Lehnsherr sei. Aber wenn man etwas sucht, womit man gegen Lady Maidheike argumentieren kann, dann müssen eben auch solch unsinnige Forderungen herhalten. Für einige Damen und Herren scheint es wichtiger zu sein, daß sie überhaupt etwas von sich geben, als daß es etwas sinnvolles sei.
Einige gingen sogar so weit, daß sie Lord Agomar dazu gratulierten, daß er zurückgetreten sei, um der neuen Kaiserin auf den Thron zu verhelfen. Leider scheint die Regentschaft über ein großes Reich nicht zwangsläufig die nötige Einsicht in gewisse Notwendigkeiten mit sich zu bringen, die auf so einer Position nötig wäre. Natürlich müssen mehrere Reiche zurückstecken, damit eines unter ihnen den Kaisertitel beanspruchen kann. Das ist das derzeitige System, auf dem die Wahl eines Kaisers beruht. Lord Agomar schließlich war schon immer jemand, der lieber im Hintergrund wirkte, als selbst im Lichte zu stehen. Das war schon zu Zeiten des ersten Gurdidh-Ordens so und genau solche Männer braucht es, um einen Kaiser zu haben, der nicht nur den Titel führt, sondern auch danach handelt.
Seit einigen Jahren ist ein interessantes Phänomen auf Tamar zu beobachten. Während die wilden Orkhorden wie eh und je mordend und brandschatzend durch die Lande ziehen, ist bei den Elfen und Zwergen eine Veränderung eingetreten. Noch immer führen sie Krieg gegen viele Reiche und verteidigen das Land, welches sie als ihr Eigentum betrachten, verbittert gegen die menschlichen Eindringlinge, und doch gibt es etwas neues. Viele kleine Reiche, die sich gegenüber den Elfen und Zwergen zurückhalten, und mit jenen friedlich nebeneinander leben, schicken Kundschafter aus, um die um ihr Reich liegenden Ländereien, und später auch andere Inseln und Kontinente, zu erforschen. Dabei stoßen ihre ausgesandten Kundschafter auch immer wieder auf Truppen der wild lebenden Elfen und Zwerge. Seit einiger Zeit nun ist es so, daß jene diesen Kundschaftern gelegentlich ein Handelsgeschäft vorschlagen. Dabei bieten die Elfen und Zwerge gegen gutes Gold einige ihrer eigenen Rüstungen und Waffen an. Diese Waren sind nach übereinstimmenden Berichten von hervorragender Qualität. Anscheinend haben diese Stämme beschlossen, daß es Zeit ist, die Verhältnisse auf Tamar weiter auszugleichen, indem sie gerade den kleinen und schwachen Reichen unter die Arme greifen. Die von ihnen angebotenen Waren sind inzwischen sehr begehrt unter den mächtigen Reichen Tamars und so können gerade diese kleineren Reiche gute Geschäfte mit den Elfen- und Zwergenwaren abschließen.
Tamar, im Jahre 575